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Neutestamentliche Textforschung Und Textgeschichte. Erwägungen zu einem notwendigen Thema

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

B. Aland
Affiliation:
Münster, Germany/BRD

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Aufgabe der Textkritik ist es nach herkömmlicher Definition, den Urtextzu finden und ihn nachprϋfbar zu begrϋnden. Auch wer vielleicht beim ersten Teil dieses Satzes meint, diese Aufgabe sei doch im wesentlichen schongetan (die weitgehende übereinstimmung der Editionen des Neuen Testaments der letzten 100 und mehr Jahre könnte ihn darin bestärken), bzw. sie sei bis auf exegetisch unerhebliche Stellen getan, wird beim zweiten Teil des Satzes zugeben mϋssen, daß sie noch nicht oder noch nicht ausreichend getan ist.

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Articles
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Copyright © Cambridge University Press 1990

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References

1 ‘Main paper’, vorgetragen auf der 44. Tagung der SNTS Juli 1989 in Dublin.Google Scholar

2 Er ist jedem Interessierten im Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster zugänglich, das — wie bekannt — eine weitgehend vollständige Sammlung aller neutestamentlichen Handschriften auf Mikrofilm oder Photo besitzt.Google Scholar

3 Die hier gegebene Definition ist angelehnt an die treffende Erklärung von Textkritik und Textgeschichte durch Erbse, H., ‘Überlieferungsgeschichte der griechischen klassischen und hellenistischen Literatur’, in: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur, hrsg. Hunger, von H. u.a. (Zürich, 1961), s. hier S. 209.Google Scholar

4 Zuntz, G., The Text of the Epistles. A Disquisition upon the Corpus Paulinum (London, 1953) 13.Google Scholar

5 Epistularum libri decem 10,65.Google Scholar

6 Vgl. dazu Turner, E. G., Greek Papyri. An Introduction (Oxford, 1968) 109.CrossRefGoogle Scholar

7 Erst relativ spät beginnt ja die besondere Heiligkeit bzw. dann auch Kanonizität der neutestamentlichen Schriften, Eingriffe in den Text zu erschweren. Während für profane Texte gilt, daß in römischer Zeit ‘a steady respect for the authority of the text’ zu beobachten ist (vgl. Turner, s. oben Anm. 6, S. 108), muß erst untersucht werden, ob das für unsere Texte, insbesondere in frühester Zeit ähnlich gelten kann, bzw. wann es gilt.Google Scholar Vgl. dazu Aland, B., ‘Die Rezeption des neutestamentlichen Textes in den ersten Jahrhunderten’, The New Testament in early Christianity. La réception des érits néotestamentaires dans le christianisme primitif (BEThL 86, 1989) 138, hier bes. 20 ff.Google Scholar

8 Über ihn vgl. Lemerle, P., Le premier humanisme byzantin. Notes et remarques sur enseignement et culture à Byzance des origines au Xe siècle (Paris, 1971) 116 f., über das studitische Scriptorium s. 127 f.Google ScholarZur Rückführung der 2464 auf Nikolaos als Schreiber s. Leroy, J., ‘Le Patmos St. Jean 742 (Gregory 2464), une nouveau manuscrit de Nicolas Studite’, Zetesis (1973) 488501.Google ScholarLeroys Auffassung wird jedoch von Fonkič, B. L., ‘Notes paléographiques sur les manuscrits Grecs des bibliothèques Italiennes’, Thesaurismata 16 (1979) 153–69, hier 153–6,Google Scholarbestritten, der 2464 überzeugend einem anderen, unbekannten Schreiber des studitischen Scriptoriums zuweist, vgl. ‘Scriptoria Bizantini’, Rivista di Studi Bizantini e Neoellenici 17/19 (19801982) 73118, hier 83–92.Google Scholar

9 Das Studioskloster war in Nikolaos' Zeit das Zentrum einer monastischen Reform, die von dem Lehrer des Nikolaos, dem berühmten Theodor Studites, ausging.Google Scholar

10 Vgl. dazu unten S. 350 f.Google Scholar

11 Das Studium der neutestamentlichen Zitate bei den Kirchenschriftstellern wie auch der Handschriften des 4., 5. und 6. Jahrhunderts zeigt, daß nur von einem allmählichen Änderungsprozeß gesprochen werden kann. Keine Textform setzt sich unmittelbar durch. Dennoch beginnt mit der im 4. Jahrhundert nicht mehr verfolgten christlichen Kirche und den daraufhin zahlreich neügegriindeten Gemeinden eine Änderung, die auch für die hier verfolgten Absichten bedeutsame Auswirkungen hat. Bekannt sind z.B. zwei große Bibelbestellungen in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts durch Konstantin in Caesarea (vgl. Euseb, De Vita Constantini 4, 36, 37, 34. 3,1) und durch Constans von Athanasius in Alexandria (vgl. Athanasius, Apologia ad Constantium 4 - PG15, Sp. 600 C). Durch solche großen Bestellungen, die höchstwahrscheinlich von einer oder doch wenigen Vorlagen im Scriptorium abgeschrieben wurden, wird der Text dieser einen Vorlage schlagartig vervielfältigt. Die veränderten historischen Bedingungen für die Entstehung von Handschriften wirken sich also unmittelbar auf die Textüberlieferung, hier auf die Verbreitung bestimmter Textformen, aus. Zu den Bibelbestellungen s.Google ScholarWendel, C., ‘Geschichte der Bibliotheken’, Handbuch der Bibliothekswissenschaft, 3. Bd., 1. Hälfte, 2. Aufl. (Wiesbaden, 1955) 61 ff.Google ScholarDers., ‘Der Bibel-Auftrag Kaiser Konstantins’, Zentralblatt fur Bibliothekswesen, hrsg. Buttmann, von G. und Levy, G., (Leipzig, 1939) 165175.Google Scholar

12 Martini, C. M., ‘II problema della recensionalita del codice B alia luce del papiro Bodmer XTV’, AnBibl 26 (Roma, 1966) bes. 149–52.Google Scholar

13 Zuntz' vorzügliche Darstellung der Frühgeschichte der Paulusbriefe (The Text of the Epistles, s. oben Anm. 3, 263–83) muß also aufgrund unseres heutigen Materials modifiziert, nicht gänzlich umgeworfen werden. Es ist jetzt sehr viel wahrscheinlicher geworden, was noch Zuntz kaum für möglich hielt, daß es auch schon um 150 Handschriften von der Qualität gab, wie sie P46 samt seinen Korrekturen und Clemens von Alexandrien in seinen Zitaten bieten (vgl. Zuntz, 267). Oder anders gesagt: mit P76 ist uns eines der sehr guten Manuskripte erhalten, deren Existenz Zuntz als Grundlage seiner Theorie nur vermuten konnte (s. S. 274). Diese werden dann als Vorlage für philologisch verantwortete Kollation benutzt, und so kann der Text frei von der Fehlermenge anderer Handschriften gehalten werden (vgl. 271).Google Scholar

14 Die geläufige und bei der Überlieferung klassischer Texte auch zutreffende Ansicht, es sei bisher nicht gelungen, zwei frühe Handschriften voneinander abzuleiten, weswegen jede frühe Variante ‘must be considered individually and weighed as if it were a unique case’, trifft also so nicht auf die Überlieferung des Neuen Testaments zu (gegen Turner, Greek Papyri, s. oben Anm. 6,126).Google Scholar

15 Colwell, E., ‘Method in Evaluating Scribal Habits. A Study of P45, P66, P75’, Studies in Methodology in Textual Criticism of the New Testament (Leiden, 1969) 106–24. — Bei den Fehlern von P66 handelt es sich meist um nur leichte glättende Eingriffe. Von ihnen kann man sehr oft nicht sagen, ob der Schreiber sie — bewußt oder sogar halb unbewußt — selbst vornahm, oder ob er sie in seiner Vorlage vorfand: Eine passende Partikelsetzung (Joh 10. 12), eine dem Sinn mehr entsprechende ‘emphatischere’ Wortstellung (Joh 10. 32), ein passenderes Kompositum statt des Verbum simplex (Joh 10. 16), ein klassischer partitiver Genitiv statt des umständlichen έκ (Joh 6. 60), ein passenderes Tempus (Joh 10. 38) usf. Wenn spätere Zeugen, auch die Koine, dasselbe lesen, muß das nicht heißen, daß sie von P66 abhängig sind. Sie können die Varianten selbst verursacht oder übernommen haben.Google Scholar

16 Den ausführlichen Nachweis dafür s. bei Aland, B., ‘Entstehung, Charakter und Herkunft des sog. westlichen Textes — untersucht an der Apostelgeschichte’, EThL 62 (1986) 565, hier bes. 43–56 undGoogle ScholarAland, K., ‘Alter und Entstehung des D-Textes im Neuen Testament. Betrachtungen zu P69 und 0171’, in: Miscellania Papirologica Ramon Roca-Puig, hrsg. von S., Janeras (Barcelona, 1987) 3761.Google Scholar

17 Hinweis und Ein wand von F., Neirynck.Google Scholar

18 Das zeigen auch die wenigen Stellen im Neuen Testament, an denen spätere Eingriffe in den Text in den Handschriften belegt sind, wie etwa die Markus-Schlüsse und die verschiedenen Schlüsse des Römerbriefs. Hier sind offenbar weiter verbreitete Formen, die nebeneinander existierten, in der handschriftlichen Überlieferung erhalten, während bekanntlich z.B. schon das Johannesevangelium in keiner unserer Handschriften nur mit den ursprünglichen 20 Kapiteln tradiert ist.Google Scholar

19 Außer den wenigen frühen Papyri mit sog. westlichem Text: P38, P48, P69 u.U. P29 sowie das frühe Pergamentfragment 0171.Google Scholar

20 So bei Euseb h.e. 5,28,15 im Zitat aus dem sog. Kleinen Layrinth (gegen dogmatische Verfälschungen der Monarchianer) und h.e. 4,29,6 (gegen stilistische ‘Umformungen’ — μεταφράζειν — — paulinischer Ausdrücke durch Tatian). Im Gegensatz zu letzterem charakterisiert Origenes den Hebraerbrief als ein Werk, dessen Gedanken von Paulus stammen, Stil und Komposition aber von einem anderen. Der Verfasser habe also die Worte seines Lehrers gleichsam erklart (σχολιογρσφεϊν, h.e. 6,25,13), eine bemerkenswert zurückhaltendere Beurteilung. Vgl. im übrigen zu Origenes unten Anm. 23.Google Scholar

21 Ein gutes Beispiel dafür ist die bekannte Singulärlesart des P75p (außer einigen koptischen Zeugen) in Joh 10. 7 ήθύρα statt ό ποιμήν. die offensichtlich aus verantwortlicher und intelligenter (wenn auch irrtümlicher) Diorthose des Schreibers entstanden ist.Google Scholar

22 Vgl. Irenäus, Adv. Haer. 5,30,1; Dionysius von Korinth bei Euseb, h.e. 4,23,12; einen Anonymus bei Euseb, h.e. 5,16,3 (er wagt nicht, eine antihäretische Schrift gegen die Montanisten zu schreiben, weil er fürchtet, dadurch den Anschein zu erwecken, er wolle dem Wort des Neuen Testaments etwas Neues hinzufügen oder es mit Zusätzen versehen, was doch nach dem zitierten Grundsatz niemand dürfe, der nach dem Evangelium leben wolle). Vgl. schließlich Polykrates von Ephesus im Brief an Viktor von Rom anlüßlich des Osterstreits bei Euseb, h.e. 5,24,2–6 (das Osterfest wird unverfälscht entsprechend der zitierten Regel und dem Evangelium gemäß begangen, cf. 24,6).Google Scholar

23 Vgl. Origenes, Matthäuserklärung 15,14, GCS 40, 387,28–388,11. Dazu jetzt vorzüglich mit Hinweis auf weitere Literatur Neuschäfer, B., ‘Origenes als Philologe’, Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft 18/2 (Basel 1987) s. bes. S. 88 mit Anm. 24–26 und 108 mit Anm. 108.Google Scholar

24 Beides ist wichtig, die Wahrung des Inhalts und des Stils. Der moderne, im wesentlichen theologisch-exegetisch interessierte neutestamentliche Textforscher kann sich das gar nicht deutlich genug klarmachen. An Menge überwiegen sogar die sprachlich stilistischen Varianten die sachlich theologischen erheblich. Einen schönen Beleg für die in gleicher Weise hohe Schätzung von Inhalt und Stil bietet Dionys von Alexandrien (bei Euseb, h.e. 7,25,25), der von dem Verfasser des Johannesevangeliums und der Briefe im Gegensatz zu dem der Apokalypse sagt, er sei mit beidem vom Herrn begabt gewesen, mit der Gabe der Erkenntnis und des Stils. Beides sind Charismen!Google Scholar

25 Daß das möglich ist, haben die obengenannten Arbeiten von Colwell u.a. gezeigt (s. oben Anm. 15). Man sollte sich dabei allerdings nicht auf die Singulärlesarten der Papyri allein stützen, wie es Colwell tat. So wichtig diese sind, kann man doch die anonyme Vorlagenkette, die zu einer frühen Handschrift hinführt, mit in die Überlegungen einbeziehen und die Eigenart des speziellen Überlieferungsstranges, dem der untersuchte Papyrus angehört, beschreiben.Google Scholar

26 Als Grundlage für diese Spezialstudien legt das Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster neue Ausgaben sämtlicher Papyri zu den neutestamentlichen Schriften in synoptischer Übersicht vor, zusammen mit einer Vollkollation sämtlicher erhaltener Majuskeln bis zum 10. Jh., um dem Interessierten alles notwendige Material an die Hand zu geben. Erschienen sind bisher Das Neue Testament auf Papyrus,Google ScholarI. Die Katholischen Briefe, bearbeitet Grunewald, von W. u.a., ANTT 6 (1986)Google Scholar, und. II. Die Paulinischen Briefe, Teil 1: Röm, 1. Kor, 2. Kor, bearbeitet Junack, von K. u.a., ANTT 12 (1989).Google Scholar

27 Man vergleiche dafür z.B. die häufigen Argumentationen in Metzger, B. M., A Textual Commentary on the Greek New Testament (London/New York, 1971).Google Scholar

28 Dieses ist am klarsten dargestellt in dem noch heute sehr lesenswerten von, Buchvon Dobschütz, E., Eberhard Nestle's Einführung in das Griechische Neue Testament (Göttingen, 1923) 26–8.Google Scholar

29 So Hieronymus im Brief an Paulinus von Nola, ep. 53,10.Google Scholar

30 Daß die Revisionsarbeit, die sich auf dem schmalen Grat zwischen Respekt vor dem überlieferten, heiligen Wort einerseits und Bemühen um besseren sprachlichen Ausdruck andererseits bewegt (durch beides sind die engen Grenzen wie Intention der Arbeit angedeutet), tatsächlich in Antiochien geschah, dafür spricht auch das, was wir von der antiochenischen Exegese dieser Zeit wissen. Sie war an paganen Mustern ausgerichtet und an paganen Vorbildern orientiert. Dahin paßt gut die beschriebene Tendenz der Revisionsarbeit, die zur Koine führt. Zur antiochenischen Exegese in ihrer Verbindung mit klassischen Vorbildern, vgl. Chr.Google ScholarSchäublin, , ‘Untersuchungen zu Methode und Herkunft der antiochenischen Exegese’, in: Theophaneia. Beiträge zur Religions- und Kirchengeschichte des Altertums (Köln/Bonn, 1974) 34 ff. et passimGoogle Scholar

31 Das ist einer systematischen Überprüfung der neutestamentlichen Zitate bei den wichtigsten Kirchenschriftstellern des 4.-6. Jahrhunderts zu entnehmen. Die wichtige und aufschlußreiche Arbeit daran steckt aber noch in den Anfängen. Die Texthandschriften liefern ein entsprechendes Bild vom allmahlichen Überwiegen des byzantinischen Textes. Weil dieser Prozeß aber ein so langsamer ist, sind Texthandschriften und Zitate vom 4.-8. Jahrhundert von besonderem Interesse und der Untersuchung wert!Google Scholar

32 Vgl. oben S. 340.Google Scholar

33 Vgl. oben S. 338.Google Scholar

34 Text und Textwert der griechischen Handschriften des Neuen Testaments, I. Die Katholischen Briefe, 3 Bände, ANTT Bd. 9–11, hrsg.Google ScholarAland, von K. in Verbindung mit A. Benduhn-Mertz und Mink, G. (Berlin/New York, 1987).Google Scholar

35 Um Mißverständnisse zu venneiden: Der byzantinische Text als solcher wird selbstverständlich nicht aus dem weiteren Arbeitsprozeß ausgeschieden, denn er ist eine wichtige historische Marke in der Textgeschichte des Neuen Testaments. Ausgeschieden wird nur die unübersehbare Fülle seiner miteinander identischen oder nahezu identischen Abschriften.Google Scholar

36 Vgl. dazu die Kommentare, z.Schelkle, B. K. H., Die Petrusbriefe und der Judasbrief, HThK Bd. 13,2, 3. Aufl., (1970) 213. Ebenso übergehe ich die gewisse paläographische Schwierigkeit, die in der Ähnlichkeit der hier entscheidenden Buchstaben in der Majuskelschrift gesehen werden könnte.Google Scholar

37 Vgl. Schelkle a.a.O. (s. Anm. 36), 213, Anm. 5.Google Scholar

38 Die Unterstreichungen bzw. der Fettdruck in den aufgeführten Beispielen markieren die verschiedenen Handschriftengruppen. — Daß die im Beispiel aufgezeigten Gruppierungen auch an anderen Stellen begegnen, zeigt die folgende beliebig herausgegriffene Übersicht aus dem 1. Petrusbrief.Google Scholar

39 Diese werden dem Benutzer insofern angezeigt, als in der sog. Hauptliste (s. Text und Textwert der griechischen Handschriften des Neuen Testaments, I. Die Katholischen Briefe, Bd. 2,1 und 2,2, ANTT 10,1 u. 2, Berlin 1987) für sämtliche Varianten (außer der Koine) sämtlicher Handschriften jeweils an jeder Stelle angegeben wird, wieviele Zeugen aus der Gesamtmenge jede beliebige Lesart ünterstiitzen. Varianten, die nur von wenigen Handschriften gelesen werden, könnten diese daher zusammen‘binden’. Wegen der erwähnten Kontamination muß man aber gleichzeitig darauf achten, ob nicht diesen potentiellen ‘Bindefehlern’ doch ‘Trennfehler’ gegenüberstehen, d.h. in diesem Fall Übereinstimmungen einzelner Zeugen aus der ‘zusammengebundenen’ Gruppe an anderen Stellen. Da grundsätzlich immer die Zahl der ‘übereinstimmenden Zeugen’ angegeben ist, hat man darin ein vorzügliches Instrument zum Studium der Handschriftenströme und —verwandtschaften. Die Übereinstimmungen in den Koinelesarten (Sigel 1) sind aus Raumgründen nicht angegeben, sie sind ohnehin stets von sehr vielen bezeugt. Daß aber die Übereinstimmungen in der von uns als ursprünglich angesehenen Lesart (Sigel 2) verzeichnet sind, geschieht, weil diese Lesarten als ursprüngliche ständig in Frage gestellt werden müssen und es daher von höchstem Interesse ist zu wissen, mit wem sie übereinstimmen. Als Beispiel einer praktischen Nutzung der EDV-Auswertungen s.Google ScholarAland, B.,Das Neue Testament in syrischer Überlieferung. I. Die Groβen Katholischen Briefe, in Verbindung mitGoogle ScholarJuckel, A.herausgegeben und untersucht, ANTT Bd. 7 (Berlin/New York, 1986) hier s. S. 4190.Google Scholar

40 Das muß, wie gezeigt, auch unter Heranziehung des in Minuskeln erhaltenen frühen Materials geschehen. Es ist dann durchaus denkbar, daß man verschiedene Überlieferungsströme identifizieren kann, die von den frühen Papyri in die Spätzeit der Überlieferung zu verfolgen sind. Ein Beispiel liefert die oben in Anmerkung 39 genannte Untersuchung.Google Scholar

41 Inwiefern diese Überlieferungsstränge mit den herkömmlichen Texttypen identisch sind, wird sich zeigen. Auf jeden Fall wird man nicht, wie es der Begriff des Texttyps insinuiert, von in der Geschichte einmal fest geprägten und dann nur noch marginal veränderten Größen ausgehen dürfen, sondern von prozessual entstehenden und auch im Prozeß ständig weitergebildeten Formen, wie es der Begriff des ‘Überlieferungsstranges’ oder ‘stromes’ eher zum Ausdruck bringen kann. In diesem prozessualen Sinne sind z.B. die Koine und der sog. westliche Text selbstverständlich Überlieferungsstränge, die im Prozeß entstanden und mit einer bestimmten jeweiligen Tendenz auch weitergeformt worden sind.Google Scholar

42 Als Beispiel vgl. die Überlieferung Platons, die zwar eine Reihe von Papyri enthält, die aber eben nur bruchstückhaft erhalten sind und kein Gesamtbild der Überlieferung vor dem 9. Jahrhundert n.Chr. zu zeichnen erlauben. Dazu s.Google ScholarHoog, I., Der Wert des Phaidonund Lachespapyrus aus Arsinoe für die Platonüberlieferung. Mit einer Neuausgabe der in beiden Papyri erhaltenen Teile des Platontextes, Diss. (Hamburg, 1965);Google ScholarVinzent, O., Textkritische Untersuchungen der Phaidros-Papyri, Diss. (Saarbrücken, 1961);Google Scholaran neuerer Literatur s. bes. Solmsen, F., ‘The Academic and the Alexandrinian Editions of Plato's Works’, Illinois Classical Studies 6,1 (1981) 102–11 (mit Hinweis auf ältere, wichtige Literatur).Google ScholarZur Aristoteles-Überlieferung vgl. insbes. Kassel, R., Der Text der Aristotelischen Rhetorik, Prolegomena zu einer kritischen Ausgabe (Berlin/New York, 1971) undGoogle ScholarHarlfinger, D., Die Textgeschichte der pseudo-aristotelischen Schrift πεβί άτόμων γβάμμων. Ein kodikologisch-kultureller Beitrag zur Klärung der Überlieferungsverhältnisse im Corpus Aristotelicum (Amsterdam. 1971)Google Scholar

43 Der Benutzer hat am leichtesteh Zugang dazu in der voraussichtlich noch in diesem Jahr erscheinenden revidierten 2. Auflage der deutschen und englischen Fassung von, K. u. Aland, B., Der Text des Neuen Testaments. Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik (Stuttgart bzw. New York). Dort werden die Kategorien auch ausführlich erklärt. Ergiebig sind sie vor allem für vollständig erhaltene Handschriften späterer Zeit, d.h. etwa vom 6. Jahrhundert ab, nicht für frühe Handschriften, zumal nicht für Fragmente.Google Scholar

44 Da ich in der Diskussion mehrfach danach gefragt worden bin, hole ich es hier in Kürze nach.Google Scholar

45 So z.B. in dem oben Anm. 43 genannten K. u. B. Aland, Der Text des Neuen Testaments, in der 1. Auflage, 282–3.Google Scholar

46 Von der selbstverständlich stets notwendigen Revision von Irrtümern bei der bisherigen Textgestaltung sehe ich hier ab.Google Scholar