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Zu Goethe und der Islam—Antwort auf die oft aufgeworfene Frage: War Goethe ein Muslim?

Published online by Cambridge University Press:  02 June 2023

Adrian Daub
Affiliation:
Associate Professor of German at Stanford
Elisabeth Krimmer
Affiliation:
Professor of German at the University of California Davis
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Summary

ZWEI BERÜHMTE AUSSAGEN GOETHES erregen immer wieder Verwirrung in den Medien und lösen, besonders auf dem Tummelplatz des Internets, Missverständnisse über das Verhältnis des Dichters zum Islam aus. Die Irritationen und falschen Auslegungen entstanden dadurch, dass man diese Aussprüche aus dem Kontext gerissen zitiert hat. So zu verfahren, ist immer ris kant; man sollte es grundsätzlich vermeiden, ich gestehe jedoch, selber ge legentlich aus dem Kontext gerissene Zitate verwendet zu haben, so auch in diesen beiden Fällen, ohne die bedauernswerten Folgen vorauszusehen. Das veranlasst mich nun, den dadurch unbeab sichtigt verursachten Fehldeutungen durch entsprechende Texterläuterungen entgegen zu wirken. Das erste Zitat lautet:

“Der Verfasser [des West-östlichen Divan] lehnt den Verdacht nicht ab, dass er selbst ein Muselmann sei”

Dieser verfängliche Satz stammt aus Goethes erster namentlich unterzeichneter Selbstanzeige zur öffentlichen Ankündigung des West-östlichen Di van in der von seinem Verleger Cotta herausgegebenen Augsburger Zeitung Morgen blatt für gebildete Stände. Dort lenkte Goethe im Februar 1816 die Aufmerksam keit der Leser auf den damals noch gar nicht erschienenen Westöst lichen Divan, von dem er einige Kostproben im Voraus veröffentlichte. So zunächst die erste Stro phe des großen Einleitungs gedichts Hegire, die er zitiert, um dann zur Erläuterung dieser Verse hinzuzufügen:

Der Dichter betrachtet sich als einen Reisen den. Schon ist er im Orient angelangt. Er freut sich an Sit ten, Gebräu chen, an Gegen ständen, religiösen Ge sinnungen und Meinungen, ja er lehnt den Ver dacht nicht ab, daß er selbst ein Muselmann sei. In solchen allgemei nen Ver hält nissen ist sein eignes Poetisches verwebt, und Gedichte dieser Art bilden das erste Buch unter der Rubrik Moganiname, Buch des Dichters.

Die strittige Wendung ”… daß er selbst ein Muselmann sei,” wird oft und gerne aus diesem sehr sorgfältig gebauten gesamten Absatz herausgelöst, besonders in den öffentlichen Medien. So heisst es z.B. in einem Essay von Manfred Osten, den die Neue Zürcher Zeitung vom 17. Mai 2002 auf ihrer Titelseite unter der Überschrift War Goethe ein Mohammedaner? veröffentlichte: “Goethe setzte sich mit dem ‘West-Östlichen Divan’, seiner Reverenz an den Orient, bewusst dem Verdacht aus, selbst ein ‘Muselmann’ zu sein. Immerhin erklärt er in seiner ‘Divan-Ankündigung’, er lehne den Verdacht nicht ab.” Ähnlich vereinfachend erscheint das bloße Zitat im World Wide Web nicht nur auf Deutsch sondern auch auf Englisch: “The poet does not refuse the suspicion that he himself is a Muslim.”

Type
Chapter
Information
Goethe Yearbook 21 , pp. 247 - 254
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2014

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