Der. Begriff ‘hamitisch’ gehört mit zu den bisher am schwersten zu fassenden Problemen der Afrikanistik. Die Gründe dafür liegen einerseits in der phänotypen Verschiedenheit innerhalb der als ‘hamitisch’ geltenden Volksstämme, andererseits aber in dem sichtlichen Mangel einer einheitlichen Linie des geschichtlichen Werdegangs der Sprachen solcher Völker, soweit man einen solchen nach den Methoden der modernen Linguistik theoretisch festzustellen versucht hatte. Hier versagen solche Methoden, wenn auch nicht innerhalb des Einzelidioms, so doch im Hinblick auf einen historischen Sprachstamm. Während sich demgegenüber die rassisch auch nicht einheitlichen sogenannten Bantu schon durch den linguistisch einwandfrei und exakt festzustellenden historischen Bantu-Sprachstamm als eine geschichtliche Schicksalsgemeinschaft denkassimilierter afrikanischer Völker erweisen, so fehlt es auf dem Gebiete des ‘hamitisch’ genannten Volkstums durchaus an auch nur einigermassen systemfähigen allgemeinen Sprachkriterien. Während nämlich der moderne Afrikanist heute an der Hand von Meinhofs Vergleichsmethodik jederzeit imstande ist, schon bei erster Durchsicht eines in einem bislang noch unbekannt gewesenen afrikanischen Eingeborenenidiom abgefassten Textes eindeutig festzustellen, ob das Bantu ist oder nicht, und wenn ja, welche Stellung dieser Sprache im Rahmen des Gesammtsprachstammes zukommt, so war man bezüglich der Kriterien der Hamitensprachen bis vor Kurzem in der Hauptsache genötigt, ein mehr oder minder irrational formuliertes Allgemeinbekenntnis zum Glauben an eine sprachliche Einheit des Hamitischen abzulegen. Wer dann der gehörten Botschaft gegenüber seinen fehlenden Glauben betonen zu müssen meinte, den konnte man auch nicht widerlegen, selbst wenn er den ganzen Fragenkomplex rundweg negativ abzutun bereit war.