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Bestseller und Erlebniskultur: Neue medienästhetische Ansätze bei Gisbert Ter-Nedden und Robert Vellusig verdeutlicht an Romanadaptionen von Franz von Heufeld
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- By Monika Nenon
- Edited by Patricia Anne Simpson, University of Nebraska, Lincoln, Birgit Tautz, Bowdoin College, Maine, Sean Franzel, University of Missouri, Columbia
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- Book:
- Goethe Yearbook 28
- Published by:
- Boydell & Brewer
- Published online:
- 15 June 2023
- Print publication:
- 15 June 2021, pp 191-208
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Summary
Abstract: In diesem Artikel werden neue medienwissenschaftliche Ansätze von Gisbert Ter-Nedden und Robert Vellusig vorgestellt, die den medientechnologischen Wandel im 18. Jahrhundert ergründen und dessen Wirkung bis in die Gegenwart verfolgen. Ausgehend von der Briefkultur und dem Briefroman des 18. Jahrhunderts zeigt dieser Ansatz, wie in der Literatur eine neue Erlebniskultur geschaffen wird, die den Menschen zum “Augenund Ohrenzeugen” des Geschehens macht und Emotionen weckt, wobei diese Rezeptionsweise vergleichbar mit derjenigen von Filmen und den neuen sozialen Medien sei. Durch Elemente der Mündlichkeit wird eine Unmittelbarkeit des Daseins geschaffen, die Einblick in das Bewusstsein anderer Menschen ermöglicht und eine neue Dimension des Erlebens erreicht. In einem zweiten Schritt wird dieser theoretische Ansatz auf Bestseller wie Rouseaus Julie, ou La Nouvelle Héloïse oder Henry Fieldings The History of Tom Jones, a Foundling angewandt und gezeigt, dass deren Anziehungskraft gerade in den Merkmalen der Mündlichkeit liegt, die diese Unmittelbarkeit des Erlebens erzielen. Durch Elemente wie kurze Briefe, monologähnliche Reflektionen oder Dialoge wird eine Dramatisierung des Romans erreicht, die, wie anschlieβend ausgeführt wird, den umgekehrten Schritt, nämlich die Adaption dieser Romane für das Drama erlaubt, den Franz von Heufeld in einigen seiner Komödien für die Wiener Bühne erfolgreich vollzogen hat.
Keywords: Mediengeschichte, Erlebniskultur, Mündlichkeit, Briefroman, Romanadaption, Drama, history of media, culture of experience, orality, epistolary novel, adaption of the novel
FILME, DIE SCHWIERIGKEITEN und Auseinandersetzungen von Menschen, ihre Leiden und Freuden zeigen, laden das Publikum zur Teilnahme an dem Schicksal der Protagonisten ein und rühren dabei nicht selten zu Tränen. Gebannt folgen wir dem Geschick der Menschen, versetzen uns in ihre Lage, haben Mit-Leid und werden emotional bewegt. Filme dieser Art—man denke an Klassiker wie Casablanca, Love Story oder Titanic—machen den Zuschauer zum “Augen-und Ohrenzeugen” eines fiktiven Geschehens, wie Gisbert Ter-Nedden und in seiner Nachfolge Robert Vellusig sagen würden. Diese Medienwissenschaftler fragen nach der Wirkung von Medien und ihrer Geschichte. Ter-Nedden bezeichnet das Kino als “eine neuartige Bewusstseinsdroge,” die auf die Zuschauer durch technische Mittel audio-visueller Art wirke. Dass Kunst, vor allem Dichtung und Drama die Leidenschaften der Menschen aufrührt, ist bekanntlich ein wichtiges Konzept in der Antike und schon da werden Geschichten erzählt, die den Zweck haben, bei den Zuschauern Lachen oder Furcht und Mitleid zu erregen. “Mit den Lachenden lacht, mit den Weinenden weint, das Anlitz des Menschen,”
1 - Empowering Germany’s Daughters: On the Pedagogical Program and the Poetic Techniques of Sophie von La Roche
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- By Monika Nenon
- Edited by Elisabeth Krimmer, University of California, Davis, Lauren Nossett
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- Book:
- Writing the Self, Creating Community
- Published by:
- Boydell & Brewer
- Published online:
- 01 October 2020
- Print publication:
- 15 May 2020, pp 22-43
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Summary
IN 1783, SOPHIE VON LA ROCHE began editing the journal Pomona, which explicitly addressed a female audience. In the preface, she confidently refers to her own gender:
Das Magazin für Frauenzimmer und das Jahrbuch der Denkwürdigkeiten für das schöne Geschlecht—zeigen meinen Leserinnen, was teutsche Männer uns nützlich und gefällig achten. Pomona—wird Ihnen sagen, was ich als Frau dafür halte.
[The Magazine for Women and the Yearbook of Memorable Matters for the Fair Sex—show my readers what German men find useful and pleasing for us. Pomona—will tell you what I as a woman consider worthy of attention.]
Even though many eighteenth-century women authors chose to remain anonymous, some did publish under their own names or used gender markers in anonymously published texts, as, for instance, Ruth Dawson has emphasized. Yet in these introductory words to Pomona, Sophie von La Roche not only highlights her gender but positions her writing against the predominant male discourse. Up until now, she says, men in public media have explained to a female audience what they consider “useful and pleasing” (prodesse et delectare) for women. Now a female editor of a journal is raising her voice and offers her readers her own selection of useful and entertaining literature. This self-confident point of view was made possible by a changing environment.
Moral weekly or monthly journals were among the most important media in the eighteenth century for disseminating knowledge, literature, and skills in a range of areas, as evidenced by an increase in the number of publications over the course of the century. Between 1730 and 1740, 176 journals were founded; between 1741 and 1765, 754; and between 1766 and 1791, 2,191. The overwhelming majority of these journals were composed and edited by men. Only a small number—Ulrike Weckel counts 14—were composed by women. Sophie von La Roche was one of the first women to publish a journal and to address a primarily female audience. In an age without an established school system and without universal education requirements, journals offered women an important avenue for increasing their knowledge and for reading for pleasure.
“Daseyn enthüllen”: Zum mediengeschichtlichen Kontext von Friedrich Heinrich Jacobis Eduard Allwills Papiere
- from Special Section on The Poetics of Space in the Goethezeit
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- By Monika Nenon
- Edited by Adrian Daub, Stanford University, California, Elisabeth Krimmer, University of California, Davis
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- Book:
- Goethe Yearbook 24
- Published by:
- Boydell & Brewer
- Published online:
- 30 August 2017
- Print publication:
- 30 August 2017, pp 155-174
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Summary
Mitte Februar 1774 schreibt Goethe an Sophie von La Roche: “Nach Düsseldorf kann und mag ich nicht, Sie wissen dass mirs mit gewissen Bekandtschafften geht wie mit gewissen Ländern, ich könnte hundertjahre Reisender seyn ohne Beruf dahin zu fühlen.” Düsseldorf ist bekanntlich der Wohnsitz des ehemaligen Kaufmanns, Hofkammerrats und “homme de lettres” Friedrich Heinrich Jacobi und zeitweilig auch der seines Bruders Johann Georg Jacobi, die Goethe als repräsentative Vertreter der Empfindsamkeit wahrnimmt und die er in der verloren gegangenen Farce “Das Unglück der Jacobis” (1772) verspottet hatte. Die öffentliche Darstellung der Gefühle, wie sie im publizierten Briefwechsel von Johann Georg Jacobi und Johann Wilhelm Ludwig Gleim zum Ausdruck kommt, findet Goethe “prätenziös” und auch in den von Merck herausgegebenen Frankfurter Gelehrten Anzeigen, an denen Goethe mitarbeitet, werden die empfindsamen Kreise um Gleim kritisch behandelt. Trotzdem kommt es im Sommer 1774 während Goethes zweiter Rheinreise zu einer Annäherung der beiden Gegenpole, die in eine langjährige Freundschaft münden wird. Aufgrund der Vermittlung von Frauen im Umkreis Friedrich Heinrich Jacobis, zu denen Goethe in Frankfurt Kontakt hatte, wie Sophie von La Roche, Johanna Fahlmer und Betty Jacobi ändert Goethe seine Haltung, und so findet am 22. Juli 1774 in Elberfeld bzw. Düsseldorf eine erste Begegnung zwischen Goethe und Jacobi statt, die für beide in vielerlei Hinsicht folgenreich werden sollte. Im Folgenden möchte ich mich auf die Anfangsjahre 1774 bis 1780 der über 40-jährigen freundschaftlichen und doch zugleich spannungsreichen Beziehung konzentrieren. Es soll gezeigt werden, wie zwischen Goethe und Jacobi eine enge freundschaftliche Verbindung aufgenommen wird und welche Rolle neue mündliche und schriftliche Kommunikationsformen (Geselligkeit und Briefkultur) dabei spielen. Dabei wird sich erweisen, dass Goethe und Jacobi aktiv an der Empfindsamkeitskultur der Zeit teilnehmen, die ihnen aber auch problematisch wird, und dass daraus Anregungen zu produktiver, literarischer Gestaltung entstehen.
Beginnen möchte ich zunächst mit der Skizzierung des geselligen Kreises im Hause Friedrich Heinrich Jacobi in Düsseldorf, das man mit Ulrike Weckel als “offenes Haus” bezeichnen kann. Dieser zwischen privater und öffentli cher Sphäre angesiedelte Ort wurde zu einem intellektuellen Anziehungspunkt für viele literarisch–kulturell Interessierte, Schriftsteller und Gelehrte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.