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Das Innere der Natur und ihr Organ: von Albrecht von Haller zu Goethe

Published online by Cambridge University Press:  02 June 2023

Adrian Daub
Affiliation:
Associate Professor of German at Stanford
Elisabeth Krimmer
Affiliation:
Professor of German at the University of California Davis
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Summary

Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf.

—WA: II 11 59

GOETHES ÄUSSERUNGEN ÜBER DIE ERSCHLIESSUNG neuer “Organe” entfalten ihren vollen Sinn im Kontext einer terminologischen Geschichte (um den Wortstamm organ- und seiner semantischen Metamorphosen), die für unser Verständnis der Goethezeit wesentlich ist. Das Problem der metaphysischen Erkenntnis nach Kant ist dieser Terminologiegeschichte we sentlich verbunden. Ein Organ ist gleichzeitig Ort und Funktion (z.B. das Auge und das Vermögen zu sehen), ein mit internen Regeln ausgestattetes Konkretes, das zugleich einen Bezug zum Allgemeinen hat. Goethe hat— in Auseinandersetzung mit Aristoteles, Kant, und insbesondere Hegel—zu dieser Geschichte gleichsam das Ende beigetragen. Im Folgenden setze ich mich zunächst anhand einer Reihe von Zitaten Albrecht von Hallers mit der Geschichte des Begriffs “Organ” auseinander. Hallers Aussagen über das nicht zu begreifende “Innere” der Natur sind prototypisch für die Naturphilosophie der Frühaufklärung, sie implizieren zudem eine Herausforderung für die nächste Generation: welche Werkzeuge eignen sich zum begreifenden Erfassen der Natur bzw. ermöglichen dieses erst?

Einen Schlüsselmoment dieser Terminologie- und Geistesgeschichte finden wir in Kants Polemik gegen Leibniz in der Kritik der reinen Vernunft (im Folgenden: KdrV). Im Anhang “Amphibolien der Reflexionsbegriffe” (B316– 49/A260–922) erläutert Kant: “Ins Innere der Natur dringt Beobachtung und Zergliederung der Erscheinungen, und man kann nicht wissen, wie weit dieses mit der Zeit gehen werde…” (B334/A278). Die “Dogmatik” der Rationalisten bestehe darin, das “Innere” der Dinge schlechthin (also ohne kritische Zergliederung des Beobachteten) wissen zu wollen. Weil aber “Natur” bei Kant aus analysierbaren Einheiten besteht, die wir im Verschmelzen von Anschauung und Begriff im Urteil konstituieren, reicht seine Analyse (Zergliederung) durchaus bis in die “Natur” hinein—wie weit, wissen wir nicht, denn wir bestimmen mit diesem Konstituieren nicht die von der Anschauung gelieferte Materie selbst. Entscheidend ist eine semantische Verschiebung: Der Begriff des “Inneren” verschiebt sich terminologisch—die Natur, und unser Wissen von ihr, bezieht sich bei Kant bekanntlich nicht mehr auf das problematische Ideal einer (wie auch immer gearteten) direkten begrifflichen Erkenntnis der Dinge (daher der Terminus: “ noumenon”), sondern auf unser (kritisch geläutertes) Wissen um die konstituierte erfahrbare Welt der “Erscheinungen,” zwischen dem apperzeptiven Ich und der ungeformten Materie der Sinne.

Wie auch an anderer Stelle differenziert Kant die Sätze der Rationalisten gemäß ihrer Quellen in der Erkenntnis.

Type
Chapter
Information
Goethe Yearbook 21 , pp. 191 - 218
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2014

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