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5 - Recht als Krieg: Moderne Staatlichkeit und die Aporien legalistischer Herrschaft bei Heinrich von Kleist

Published online by Cambridge University Press:  14 February 2023

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Summary

I.

In Neueren Arbeiten Zur Diskursgeschichte politischer Macht wird dem modernen Staat ein postsouveräner Charakter zuerkannt. Der Begriff der Postsouveränität schließt an Überlegungen an, die Michel Foucault in seinen Vorlesungen am Collège de France in den 1970er Jahren entwickelt hat. Foucault unternimmt darin den Versuch, die legalistische Konzeption der Macht, die das politische Denken Europas über Jahrhunderte hinweg dominiert habe, in Frage zu stellen. Das legalistische Modell, so Foucault, sei selbst dort, wo es sich von einer personalen Instanz der Souveränität zu lösen und diese im Volk selbst zu verankern suche, auf die Figur des Königs hin ausgerichtet. In Jean-Jacques Rousseaus Du contrat social etwa sei der Volkswille, der den Gesellschaftskörper beseelt und anleitet, in Analogie zum königlichen Souverän konzipiert. Foucault zieht daraus die Konsequenz, “daß die zentrale Person im gesamten abendländischen Rechtsgebäude der König ist. […] Das Rechtssystem ist vollständig um den König zentriert und damit letztlich Verdrängung der tatsächlichen Herrschaft und ihrer Folgen.” Das imaginäre Zentralgestirn souveräner Macht verdunkelt demnach das reale Funktionieren der Unterwerfungstechniken, die nicht von einer symbolischen Mitte aus, sondern an den Rändern und Grenzen des Staatsapparats zur Wirkung gelangen, etwa in Gestalt der Gouvernementalität, der Disziplinar- und Biomacht. Die Entstehung des Staates, der diese Machttechniken implementiert, ist wiederum nicht auf einen originären Vertragsschluss zurückzuführen. Foucault macht sich vielmehr die genealogische Perspektive Friedrich Nietzsches zu eigen, wonach der Staat ein Produkt des Krieges und der Eroberung ist. “Dergestalt beginnt ja der ‘Staat’ auf Erden: ich denke, jene Schwärmerei ist abgethan, welche ihn mit einem ‘Vertrage’ beginnen liess.” Weder in ihrem Ursprung noch in den Mechanismen ihrer Ausübung besitzt die politische Macht des modernen Staates demnach eine legalistische Form. Politik, so formuliert Foucault in Umkehrung des Clausewitzschen Diktums, stellt vielmehr die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln dar, sie ist eine auf Dauer gestellte Praxis der Unterwerfung (VG, 26).

Wenn Foucault somit auf der einen Seite dafür plädiert, sich in der Analyse von Herrschaftssystemen von dem legalistischen Modell der Macht zu verabschieden, so macht er auf der anderen Seite deutlich, dass die Figur des Souveräns den staatstheoretischen Diskurs der Moderne weiterhin dominiert. Wie kommt es, so fragt er, dass es uns auch heute noch schwer fällt, Macht anders als nach dem Muster einer rechtlich begründeten Souveränität zu denken? Die Figur des Souveräns prägt unsere Vorstellungen von der Funktionsweise der Macht.

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2011

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