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Goethe und Die Politik

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

Frederick S. Sethur*
Affiliation:
The College of the City of New York

Extract

Die Interpretation der individualistischen Geschichtsauffassung.—In der Einleitung zu Goethes politischen Lehrjahren bemerkt Lorenz, auf die Frage, warum verhältnismässig wenig von Goethes politischem Denken, Wesen und Handeln geschrieben worden sei, habe ihm einer der besten Goethekenner geantwortet: “die geschulte Goethephilologie sei eben zu gewissenhaft, um aus Epigrammen und leichten Gesprächen die politische Grund- und Weltanschauung eines Mannes herzustellen und zu beleuchten.” Mit Recht konnte Lorenz darauf einwenden, dass die geschulte Goethephilologie, wenn sie nur Goethes Epigramme und leichte Gespräche in Betracht ziehe und seine praktisch-politische Wirksamkeit einfach ausser Acht lasse, eine grundfalsche Auffassung vom Wesen der Politik verrate. Das hinderte aber den Historiker Lorenz nicht daran, Goethes praktisch-politische Wirksamkeit weit über das gebührende Mass hervorzukehren und den Mythus eines “wahren Staatsmannes” zu schaffen. Wie die Goetheforschung seiner Zeit geht Lorenz von der individualistischen Geschichtsauffassung aus. Diese sieht in der politischen Erscheinung lediglich die Wirkung der historisch bedeutenden Persönlichkeit und muss folglich die politische Wirksamkeit, wie z.B. die Ministertätigkeit Goethes, als das Resultat des persönlichen Willensausflusses des “geborenen Staatsmannes” interpretieren. Wie erklärt sie sich aber das klägliche Ergebnis dieser Tätigkeit, die Widersprüche in seinen Handlungen, seinen Betrachtungen und gelegentlichen Aeusserungen?

Type
Research Article
Information
PMLA , Volume 51 , Issue 4 , December 1936 , pp. 1007 - 1055
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1936

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References

1 O. Lorenz, Goethes politische Lehrjahre (Berlin, 1893), S. 1.—Zum Zwecke der Raumersparnis sowie der Vermeidung stets wiederkehrender Einführungsfloskeln sind Zitate nicht immer im strengen Wortlaut gegeben, wenn sie auch zur schärferen Unterscheidung vom Text in Anführungszeichen, bzw. in kleinerem Druck erscheinen. Amerikanische Schriftsetzergewohnheiten sind dem Gebrauch von einfachen Beistrichen in solchen Fällen abhold. Der Vf. hofft, den Sinn des Angeführten nirgends beeinträchtigt zu haben.

2 R. Campe, Der liberale Gedanke in Goethes Weltanschauung (Leipzig, 1931) S. 8.

3 F. Kosegarten, Goethes politische Anschauung und Richtung (Berlin, 1863), S. 26.

4 Lorenz, aaO., S. 36–57.

5 An Karl August, Ende Januar, 1779, Goethes Werke, Weimarer Ausgabe (Grossherzogin-Sophien-Ausgabe) iv, iv, 3.

6 Lorenz, aaO., S. 98.

7 aaO., S. 12.

8 ,9 H. Düntzer, Goethe, Karl August und Lorenz, (Dresden, 1895), S. 28.

10 aaO., S. 9.

11 Lorenz, aaO., S. 116.

12 Zu Eckermann, 11. März 1828, Goethes Gespräche (Weimar. 1913), S. 649.

13 aaO., (15. Oktober 1825), S. 155.

14 Lorenz, aaO., S, 110.

15 An Karl August, 1788, W.A., iv, viii, 359.

16 H. S. Chamberlain, Goethe (München, 1912), S. 736.

17 aaO., S. 25.

18 E. Marcks, “Goethe und Bismarck,” Deutsche Rundschau (1918) ii, 665.

19 L. Gumplowicz, Politik (Leipzig, 1894), S. 105.

20 aaO., S. 107.

21 Sprüche in Prosa, Deutsche National-Literatur (Kürschner Ausgabe) cxvii, ii, 371.

22 Campe, aaO., S. S.

23 ,24 Zahme Xenien, W.A., i, iii, 343.

25 Zu Eckermann, 17. Februar 1832, aaO., S. 739.

26 “… eine Denkweise, die alle menschlichen Tätigkeiten und Erzeugnisse in Beziehung setzt zu der menschlichen Gesellschaft, der ihre Träger angehören und sie unter dem Gesichtspunkt ihrer Abhängigkeit von dieser auffasst.” Vierkandt, Gesellschaftslehre (Stuttgart, 1928), S. 14.

27 E. Spranger, Lebensformen (Halle a. S., 1927), S. 179.

28 Auf Goethes Ausspruch “Meine Idee vom Vortrefflichen war auf jeder meiner Lebensund Entwicklungsstufen nie viel grösser, als was ich auf jeder Stufe zu machen im Stande war … ”bezugnehmend, schreibt Simmel:“ … dafür muss sie (die Idee) das Leben auch durch seine Tiefstände begleiten, … gewiss widerspricht dies der üblichen Vorstellung von dem idealistischen Dichter, der einem absolut Hohen und ewig Unerreichbaren nachhängen muss.” G. Simmel, Goethe (Leipzig, 1913) 3. Dies gilt für sein dichterisches Schaffen, es gilt aber auch für seine Stellung zur Politik. Wird die Leistungsfähigkeit in der Politik gehemmt, so verraten gewisse Aeusserungen den erzwungenen “Tiefstand” in der politischen Produktivität.

29 ,30 G.–Jb. 1902, S. 16. Das “Privilegien-Gefühl” ist die natürliche Repulsionskraft im Menschen.

31 Dichtung und Wahrheit, W.A., i, xxvi, 7 f.

32 Tagebuch, 14, Dezember 1778, W.A., iii, i, 73.

33 An Knebel, April 1782, W.A., iv, v, 311 f.

34 Tagebuch, 6. September 1779, W.A., iii, i. 97 f.

35 An Knebel, 21. November 1782, W.A., iv, vi, 96 f.

36 An Fr. v. Stein, 17, September 1782, W.A. iv, vi, 58.

37 P. Grabowski, “Goethes Natürliche Tochter als politisches Bekenntnis,” Zeitschrift für Politik (1932), S. 94.

38 Zu Müller, 31. März 1823, W. Biedermann, Goethes Gespräche (Leipzig, 1909) iii, 97.

39 P. Wiegler, Geschichte der deutschen Literatur i, 493.

40 Einleitung zu D.u.W., W.A. i, xxvi, 7 f.

41 Bericht von Marquis v.B. 1792, Biedermann aaO., i, 193 f.

42 Allgemeine Naturlehre W.A. ii, xi, 61 f.

43 Vgl. Anm. 28.

44 Vgl. Anm. 22.

1 F. Meineke, Die Idee der Staatsraison (München, 1925), S. 34 f.

2 F. Meineke, Die Idee der Staatsraison (München, 1925), S. 34 f.

3 Meineke, aaO., S. 174.

4 F. C. Moser, Patriotische Archive (Frankfurt a/M., 1784) iv, 356.

5 M. Morris, Goethes und Herders Anteil an dem Jahrgang /772 der Frankfurter Gelehrten Anzeigen (Stuttgart, 1915), S. 211.

7 F. Brüggemann, Vorboten der bürgerlichen Kulture, Deutsche Literature, Reihe: Aufklärung, iv, (Leipzig, 1931), S. 7.

8 Brüggemann, Goethes Egmont, G.-Jb. (1925), S. 151.

9 Vgl. Anm. 6.

10 Vgl. Anm. 8.

11 H. Hettner, Geschichte der deutschen Literatur im xviii Jahrhundert (Leipzig, 1929) ii, 219.

12 Brüggemann, Vorboten der bürgerlichen Kultur, aaO., S. 21.

13 W. Bode, Goethes Leben (Berlin, 1921) iii, 247.

14 ,15 Bode, aaO., S. 291 f.

16 D.u.W. W.A., i, xxvii, 74 f.

17 ,18 aaO., i, xxvi, 111 f.

19 ,20 Vgl. Anm., 16.

21 Hettner, aaO., i, 238.

22 ,23 Vgl., Anm. 17.

24 S. Sieber, J. M. Loens Gesammelte Aufsätze (Leipzig, 1922), S. 21 f.

25 Zu Riemer, W. Biedermann, aaO., i, 472.

26 ,27 Vgl., S. 17.

28 ,29 Sieber, aaO., S. 36 f.

30 W.A., i, xxxvii, 233.

31 ,32,33,34 H. A. Korff, Geist der Goethezeit, i (Leipzig, 1927), S. 202 f.

35 D.u.W. W.A., i, xxviii, 365.

36 ,37 aaO., S. 195 f.

38 In der Beurteilung politischer Satiren wie Thümmels Wilhelmine, eines Stücks, das ihm, “weil der Verfasser ein Edelmann und Hofgenosse, die eigene Klasse nicht eben schonend behandelte” (W.A., i, xxviii, 195) als besonders gefährlich erschien, folgte Goethe dem Rat J. Mosers: “Man hasse, verfolge den schlechten Kerl … aber man ehre seinen Stand, nach dem Masse wie er dem gemeinen Wesen nötig und nützlich ist. Man entsetze ihn erst des Standes, dann peitsche man ihn … dieses muss die Politik der Satire, sein, wenn sie als ein öffentliches Strafamt geduldet werden soll. …” J. Möser, Stände (K. Brandi, Gesellschaft und Staat, München, 1921), S. 189.

39 Jahrmarktsfest zu Plundersweilern, M. Morris, Der junge Goethe, iii, 150.

40 Hanswursts Hochzeit, Morris, aaO., v, 210 f.

41 ,42 Morris, aaO., iv, 44.

1 Sieber, aaO., S. 41.

2 J. J. Rousseau, Contrat Social (Paris, 1914), S. 137.

3 Meineke, aaO., S. 34.

4 ,5 W. Dilthey, “Das achzehnte Jahrhundert und die beschichtliche Welt,” Deutsche Rundschau, cviii (1901), S. 350.

6 J. Necker, L'Administration (Paris, 1781) iii, 10.

7 Briefe an Frau v. Stein, 31. März 1781, W.A., iv, v, 101; 2. April 1881, aaO., 104; 8 September 1785, W.A., iv, vii, 88; Brief an Knebel, 11. September 1885, aaO., S. 90.

8 Bode, aaO., v, 34.

9 April, 1782, W.A., iv, v, 311 f.

10 An Frau von Stein, Juni 1784, W.A., iv, vi, 295.

11 10. Juli 1786, W.A., iv, vii, 241.

12 Wilhelm Meisters Lehrjahre, W.A., i, xxiii, 146.

13 ,14,15 W.A., i, xviii, 43 ff.

16 Paralipomena aus Goethes Nachlass, G.-Jb. xiii (1892), S. 227.

17 Herder, Humanistische Briefe (Suphan Ausgabe) xviii, 296.

18 Tagebuch, W.A., iii, i, 73.

19 Herder, Ideen, xiii, 385.

20 Bode, aaO., S. 291 f.

21 ,23 I. Kant, Ideen zur allgemeinen Geschichte der Menschheit (Halle a/S., 1899) vi, i, 14.

22 Meineke, aaO., S. 360.

23 Herder, Reisetagebuch, 1769, aaO., iv, 468 f.

25 Urworte. Orphisch. W.A., i, iii, 95.

26 Die Natürliche Tochter, W.A., i, x, 282.

27 “Die Natur geht ihren Gang, und dasjenige, was uns als Ausnahme erscheint, ist in der Regel.” Zu Eckermann, 9. Dezember 1824, Biedermann, aaO., iii, 147.

28 “Ich hatte mir aus Kants Naturwissenschaft nicht entgehen lassen, dass Anziehungsund Zurückstossungskraft zum Wesen der Materie gehöre und keine von den anderen im Begriff der Materie getrennt werden könne, daraus ging mir die Urpolarität aller Wesen hervor, welche die unendliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen durchdringt und belebt.” Compagne in Frankreich, W.A. i, xxxiii, 196.

29 Deutsche National-Literatur, cxiv, 73 f.

30 Kant, aaO., vi, i, 7 f.

31 aaO., iv, ii, 144.

32 Vgl. S. Anm. 30.

33 Deutsche National-Literatur, cxiv, 296. “Das Gleichgewicht in den menschlichen Handlungen kann leider nur durch Gegensätze hergestellt werden.” (Wilhelm Meisters Lehrjahre, W.A., i, xxv, 236.)

34 ,35,36,37 Zur Morphologie, W.A., ii, viii, 16.

38 Athroismus, W.A., ii, viii, iii, 59 f. Nur der Tüchtige kann nach Goethe dieses Gesetz instinktiv erfassen. Auf Götz als Symbol einer individuellen Kraft, die nach dem Kompensationsgesetz wirkt, bezugnehmend, schreibt er: “… gerade in solchen anarchischen Zeiten tritt der tüchtige Mann am festesten auf, und der das Gute will, findet sich recht an seinem Platz.” (D.u.W., W.A., i, xxviii, 131.)

39 Vgl. Anm. 18.

40 D.u.W., W.A., i, xxviii, 162.

41 W.A., i, xviii, 378.

42 ,43 G. Kass, Möser und Goethe (Göttingen, 1909), S. 90.

44 Morris, Goethes und Herders Anteil, aao., S. 260.

45 ,46 D.u.W. W.A., i, xxviii, 69.

47 Wilhelm Meisters Lehrjahre, W.A., i, xxi, 108.

48 Zu Kanzler Müller, 1824, Biedermann, aaO., iii, 87.

49 Zu Eckermann, 1827, Eckermann, aaO., S. 593.

50 Tag- und Jahreshefte, W.A., i, xxxv, 4 f.

51 D.u.W. W.A., i, xxviii, 147.

52 ,64 Morris, Goethes und Herders Anteil, aaO., S. 306 f.

53 Morris, aaO., S. 193 f.

55 Morris, Der junge Goethe, iii, 153.

56 Tagebuch, W.A., iii, i, 77.

57 Bode, aaO., v, 34.

58 ,59 Die Aufgeregten, W.A., i, xviii, 52, 59.

60 W.A., i, xviii, 102.

61 Zahme Xenien, W.A., i, v, 207.

62 Herder, aaO., iv, 362 f.

63 W.A., i, xiv, 33 f.

64 Tagebuch, W.A., iii, i, 51.

65 aaO., S. 77.

66 An Frau v. Stein, 9. Juli 1786, W.A., iv, vii, 241 f.

67 Campe, aaO., S. 22.

68 Eckermann, aaO., (15. Oktober 1825), S. 155.

69 Steiners Anmerkung zu den Sprüchen in Prosa, Deutsche National-Literatur, cxvii, ii, 484.

70 W.M.Lj. W.A., i, xxiii, 213.

71 W.M.Wj. W.A., i, xxv, i, 30.

72 Deutsche National-Literatur, cxiv, 122.

73 P. Joachimson, Der deutsche Staatsgedanke von seinen Anfängen bis auf Leibniz und Friedrich dem Grossen (München, 1921), S. 260.

74 Sieber, aaO., S. 21 f.

75 Sprüche in Prosa, Deutsche National-Literatur, cxvii, ii, 480.

76 J. Mösers Werke, ii, 64.

77 W.A., i, xxviii, 365, 369.

78 aaO., S. 140.

79 Hettner, aaO., ii, 231.

80 ,82,83 D.u.W. W.A., i, xxix, 66, 71, 77.

81 W.M.Lj., W.A., i, xxiii, 147.

84 Die Natürliche Tochter, W.A., i, x, 266.

85 Zu Eckermann, 4. Januar 1824, Eckermann, aaO., S. 529.

86 W.A., iv, xii, 158.

87 An Schiller, 17. Januar 1797, W.A., iv, xii, 124 f.

88 Tag- und Jahreshefte, W.A., i, xxxv, 24.

89 Kass, aaO., S. 115.

90 aaO., S. 97.

91 Joachimson, aaO., 12.

92 B. Renner, Die nationalen Einheitsbestrebungen F. C. Mosers (Königsberg, 1919), S. 73, 79 f.

93 “Ihre nationale Tendenz aber richtet sich zum Teil gegen denselben Fürsten, der der Urheber der vaterländischen Poesie war. Darin betritt Klopstock den Weg, den Lessing bereits im ”Philotas“ und der ”Minna“ gewiesen hatte. Die Romantik aber gab die Form und Klopstocks gelehrte Beschäftigung mit dem deutschen und nordischen Altertum die Befähigung, diese Verherrlichung in einem fremden Gewände zu verhüllen, solange der König den Deutschen als ein Sklave der französischen Kultur erschien.” F. Hagenbring, Goethes Götz (Halle, 1911), S. 10.

94 F. C. Moser, aaO., S. 335.

95 An Herder, O. Hoffmann, Herders Briefwechsel mit Nicolai (Berlin, 1887), S. 10.

96 F. C. Moser, Vom Nationalgeist (Frankfurt, 1784), S. 1.

97 Morris, Goethes und Herders Anteil, aaO., S. 193.

98 W.A., iv, iv, 3.

99 Die Darstellung nationaler Stoffe zur Förderung des Patriotismus wurde schon von Rousseau empfohlen. (Nouvelle Héloïse, Brief 17, ii, 335.)

100 Hagenbring, aaO., S. 5.

101 Kass, aaO., S. 33.

102 W.M.Lj., W.A., i, xxi, 38.

103 W.A., iv, v, 132.

104 Biographische Einzelkeiten, W.A., i, xxxvi, ii, 226.

105 ,106 D.u.W., W.A., i, xxix, 72 f.

107 ,108 Hagenbring, aaO., S. 33 f.

109 Hagenbring, aaO., S. 33 f.

110 aaO., S. 65 f.

111 W.A., i, viii, 186.

112 Vgl. Anm. 56.

113 3. März 1785, W.A., iv, vii, 19.

114 D.u.W., W.A., i, xxviii, 369, 370.

115 Vgl. Anm. 85, 86.

116 Die Aufgeregten, W.A., i, xviii, 57.

117 W.A., i, liii, 384.

118 ,119 Die Vögel, W.A., i, xvii, 110 f.