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Sozialstruktur und Mentalität in Ostdeutschland

Published online by Cambridge University Press:  28 July 2009

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Abstract

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Actualité Européenne
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Copyright © Archives Européenes de Sociology 1991

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References

(1) Zum Paternalismus-Konzept vgl. Meyer, Jetzt Gerd, Die DDR-Machteliten in der Ara Honecker (Tübingen 1991)Google Scholar. Der Begriff des «Monosubjekts» wurde vor allem von Michael Brie, Die Erarbeitung einer Konzeption des modernen Sozialismus : Thesen in der Diskussion, Deutsche Zeitschrift für Philosophie, XXXVIII (1990), 218229, hier S. 221, in die Diskussion gebracht.Google Scholar

(2) Meier, Artur, Abschied von der sozialistischen Ständegesellschaft, Aus Politik und Zeitgeschichte, XVI–XVII (1990), S. 314.Google Scholar

(3) Ausführlicher dazu Pollack, Detlef, Das Ende einer Organisationsgesellschaft : Systemtheoretische Überlegungen zum gesellschaftlichen Umbruch in der DDR, Zeitschrift für Soziologie, XIX (1990), 292307.Google Scholar

(4) Natürlich besaßen innerhalb des Staats-apparates, unter den Funktionären der SED, im Polizei-, Militär- und Sicherheitsbereich auch sozialistische Ideale wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Fortschritt eine gewisse Bedeutung. Für die von den Massen praktizierte Hinnahme des Systems dürften indessen die Anhebung des Lebensstandards und die vom Staat eingeräumten sozialpolitischen Vergünstigungen ausschlaggebender gewesen sein. Zur Diskussion vgl. Thaa, Winfried, Die legitimatorische Bedeutung des Arbeitsparadigmas in der DDR, Politische Vierteljahresschrift, XXX (1989), 94113Google Scholar; Sigrid Meuschel, Revolution in der DDR : Versuch einer sozialwissenschaftlichen Interpretation, demnächst in : Verhandlungen des 25. Deutschen Soziologentages in Frankfurt/M.; Antonia Grunenberg, Bewußtseinslagen und Leitbilder in der DDR, in Werner Weidenfeld u. Hartmut Zimmermann (Hrsg.), Deutschland-Handbuch : Eine doppelte Bilanz 1949–1989, S. 221–238.

(5) Die Geschlossenheit des Systems korrespondierte mit der Einseitigkeit der Machtverteilung im System. Da die Machtkompetenzen einseitig verteilt waren, konnte sich Widerspruch nur durch Abwanderung artikulieren. Durch den Bau der Mauer im Jahre 1961 wurde auch diese Möglichkeit der Kritik noch blockiert. Die Erhöhung der Abwanderungsbarrieren führte also zu einer Zementierung der Herrschaftsverhältnisse und damit zu ihrer weitgehenden Entmobilisierung. Hirschmann, Anders Albert O., Abwanderung und Widerspruch : Reaktionen auf Leistungsabfall bei Unternehmungen, Organisationen und Staaten (Tübingen 1974)Google Scholar, der zwischen Erhöhung der Abwanderungsbarrieren und Entwicklung des internen Widerspruchs ein Entsprechungsverhältnis sieht. Umgekehrt waren es gerade die Festschreibung der Machtverhältnisse und die dadurch bedingte Entwicklungshemmung, die die Abschottung des Systems erforderlich machten.

(6) Heiner Ganßmann, Die nichtbeabsichtigten Folgen einer Wirtschaftsplanung : DDR-Zusammenbruch, Planungsparadox und Demokratie. Beitrag auf der Tagung «Der Zusammenbruch der DDR : Soziologische Analysen» am 1./2.2.1991 am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin.

(7) Natürlich handelte es sich bei der DDR nicht um ein vollkommen geschlossenes System. Die Geschlossenheit war in sozialer und sachlicher Hinsicht aufgebrochen. Neben dem Reiseverkehr von West nach Ost kam es in den achtziger Jahren auch zu einer Liberalisierung der Reisemöglichkeiten von Ost nach West (Reiseverkehr in dringenden Familienangelegenheiten), es gab einen begrenzten Warenaustausch zwischen Ost und West, ein gewisses Maß an kulturellen Kontakten, die teilweise mit einem Transfer von westlichen Ideen und Werten in den Osten verbunden waren. Insbesondere wirkte das westliche Fernsehen meinungsbildend. Aber all diese Einflüsse konnten systemintern nicht verarbeitet werden, da sie als feindlich stigmatisiert waren und gesellschaftsoffiziell ausgegrenzt wurden. Sie wirkten daher nur im ‘Untergrund’, dort aber durchschlagend.

(8) Hankiss, Vgl. Elemér, The ‘Second Society’ : Is there an alternative social model emerging in contemporary Hungary?, Social Research, LV (1988), 1242.Google Scholar

(9) Voskamp, Ulrich u. Wittke, Volker, Aus Modernisierungsblockaden werden Abwärts-spiralen : Zur Reorganisation von Betrieben und Kombinaten der ehemaligen DDR, Berliner Journal für Soziologie, I (1991), 1739Google Scholar, hier S. 31 sprechen vom «Planerfüllungspakt».

(10) Kasek, Leo, Die Entwicklung arbeits-bezogener Werte zwischen 1986 und 1990 (Leipzig, Masch. 1990), S. 3.Google Scholar

(11) Das Profil der Deutschen : Was sie vereint, was sie trennt. Spiegel Spezial, I (1991), S. 69.Google Scholar

(12) Erste Ergebnisse der Vorstudie zur Shell/Hauptstudie Jugend in Deutschland ′92 relativieren diese Aussage allerdings wieder. Dieser Studie zufolge vollziehen sich bei der jungen Generation Ostdeutschlands mit einer zeitlichen Verzögerung ähnliche Mentalitäts-veränderungen, wie sie für westdeutsche Jugendliche nachgewiesen sind. Vgl. Reiner Butt, Anders und doch gleich, Freitag [Berlin], vom 4.1.1991, S. 12. Bestätigt wird die Behauptung der wertkonservativeren Einstel-lung der Ostdeutschen gegenüber den West-deutschen jedoch durch eine Untersuchung des Instituts für Gesellschafts- und Wirt- schaftskommunikation an der Hochschule der Künste. Vgl. Leipziger Tageblatt vom 8.12.1990.

(13) Vor allem das Engagement der Stammbelegschaft, »die bisher auch ohne Auftrag und zum Teil gegen Widerstände immer wieder dafür gesorgt hatte, daß die gröbsten Mängel überwunden werden und der Betrieb weiter produzieren konnte« (L. Kasek, a.a.O., S. 5f.), ging seit Mitte der achtziger Jahre zurück.

(14) Spiegel Spezial, a.a.O., S. 12.

(15) Koch, Thomas, Statusunsicherheit und Identitätssuche im Spannungsfeld zwischen »schöpferischer Zerstörung« und nationaler Re-Integration : Kontinuität, Krisen und Brüche ostdeutscher Identitäten im gegen-wärtigen Transformationsprozeß, BISS public, II (1991), 7998, hier S. 88.Google Scholar

(16) Spiegel Spezial, a.a.O., S. 67. Dieselbe Rangordnung in der Wertehierarchie wie in der Spiegel-Studie wurde vom Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig in einer nicht veröffentlichten Untersuchung (Friedensstu-die) für das Jahr 1987 nachgewiesen.

(17) Vgl. etwa Konrad Bölicke in Frank-furter Rundschau vom 1.1.1991.

(18) Für die Jugend vgl. Friedrich, Walter, Mentalitätswandlungen der Jugend in der DDR, Aus Politik und Zeitgeschichte, XVI–XVII, a.a.O., S. 2537Google Scholar. Die Bereitschaft, »sich voll und ganz für die Stärkung des Sozialismus einzusetzen«, war unter den Älteren stärker ausgeprägt als unter den Jugendlichen (vgl. Leo Kasek, Entwicklung wichtiger Arbeits-motive junger Erwerbstätiger in den achtziger Jahren (Leipzig, Masch, 1990), S. 22f.), nicht aber die Überzeugung von der Richtigkeit der marxistisch-leninistischen Weltanschaung. In der Überzeugungsdimension vertraten mehr Jugendliche linke Positionen als Ältere (Günter Roski, Optimismus ohne Blauhemd : Jugend ein Jahr danach, Leipziger Volkszeitung am Wochenende vom 8./9.12.1090, S. 2). Dies weist noch einmal darauf hin, daß die Akzeptanz des Sozialismus bei der Mehrheit der erwerbstätigen Bevölkerung in der Tat weniger weltanschaulichen als pragmatischen Charakter trug.

(19) W. Friedrich, a.a.O., S. 27ff.

(20) Lange, Gerhard, Zur moralischpolitischen Erneuerung im Einigungsprozeß : Anregungen aus katholischer Sicht, in : Aus Politik und Zeitgeschichte, XIX (1991), 1120, hier S. 14.Google Scholar

(21) Glaeßner, Gert-Joachim, Offene deutsche Fragen : Von den Schwierigkeiten, einander anzuerkennen, in ders. (Hrsg.), Die DDR in der Ara Honecker : Politik - Kultur - Gesellschaft (Opladen 1988), S. 30ff.CrossRefGoogle Scholar

(22) Die Alternativlosigkeit des Lebens und Bleibens in der DDR machte es, sofern man sein eigenes Leben und seine eigene Lebensleistung bejahen wollte, erforderlich, die westlichen Möglichkeiten auszublenden. Das Tempo, in dem man nach Öffnung der Mauer auf das System der Bundesrepublik und seine Werte und Angebote einschwenkte, verweist indes auf die Fiktionalität des Arrangements mit dem DDR-System.

(23) Horst Kern, Rainer Land, Katharina Blum, Ulrich Voskamp U. Volker Wittke sprechen von einer »passiven Stärke« der Belegschaft. Der »Wasserkopf« oben und die »Taugenichtse« unten : Zur Mentalität von Arbeitern und Arbeiterinnen in der ehemaligen DDR, Frankfurter Rundschau vom 13.2., S. 16ff. (Dokumentation).

(24) Mayer, Karl Ulrich, Soziale Ungleichheit und Lebensverläufe : Notizen zur Inkorporation der DDR in die Bundesrepublik und ihre Folgen, in Giesen, Bernd u. Leggewie, Claus (Hrsg.), Experiment Vereinigung : Ein sozialer Großversuch (Berlin 1991), S. 8799.Google Scholar

(25) Hondrich, Vgl. Karl Otto, Chancen des Scheiterns, Der Spiegel, XXXVII (1989), S. 180f.Google Scholar

(26) Förster, Peteru.a., Probleme der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung im Meinungsbild der DDR-Bürger (Leipzig, Masch. 1990), S. 69.Google Scholar

(27) Kasek, Leo u. Spitzky, N., Probleme junger Arbeitdoser (Leipzig, Masch. 1991)Google Scholar, schreiben: Insgesamt sind viele Arbeitslose über lhre Rechte, Pflichten und vor allem Handlungsmöglichkeiten völlig unzureichend informiert. Fehlentscheidungen, unsinnige Aktionen und resignierendes Abwarten sind die Folgen. Es ist wohl weniger die teilweise geradezu mythisch beschworene Mentalität des Stalinismus, die für Passivität verantwortlich ist, als vielmehr der Mangel an Information und die enormen Schwierigkeiten, sich unter den sich ständig verändernden Bedingungen zurechtzufinden.

(28) Darauf verweist die in den letzten Monaten rapide angestiegene Selbstmordrate in den neuen Bundesländern, Wenn man sie zum Beispiel mit der relativ niedrigen Selbstmordrate in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vergleicht, als der umfassende Zusammenbruch und der schwere Neuanfang als ein kollektives Schicksal begriffen wurden.

(29) Koch, Thomas, Deutsch-deutsche Einigung als Kulturproblem : Konfliktpotentiale nationaler Re-Integration, Deutschland Archiv, XXIV (1991), 1625, hier S. 24.Google Scholar

(30) Claus Offe, Die deutsche Vereinigung als »natürliches Experiment«, in B. Giesen u. Cl. Leggewie, a.a.O., S. 77–86, hier 78ff. fragt deshalb, ob die in der alten Bundesrepublik gewohnten und eingelebten Institutionen kollektiven Handelns im soziokulturellen Boden der ehemaligen DDR Wurzeln zu schlagen vermögen oder ob sich Abstoßungsprozesse vollziehen, weil der erforderliche soziokulturelle Untergrund fehlt.