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Metaleptisches Erzählen und kulturelles Gedächtnis in den Paulusakten

Published online by Cambridge University Press:  08 September 2022

Markus Kirchner*
Affiliation:
Ludwig-Maximilians-Universität, Katholisch-Theologische Fakultät, DFG-Projekt „Memoria Apostolorum“, Geschwister-Scholl-Platz 1, D-80539 München, Germany Email: Markus-Kirchner@web.de

Abstract

The Acts of Paul have received the most diverse and contradictory interpretations. Do the ActPl intend to promote the veneration of Paul or a particular theology? Do they offer transparent fiction or do they claim factuality? Are they a collection of oral traditions or a designed literary construction? From the perspective of cultural memory theory, however, the key question is rather how the text allows the reader to participate in a community-generating past. In this view, the opposites turn out to be complementary aspects of an integrative textual strategy. This becomes manifest especially in the technique of metaleptic narration, which transcends the boundary between the world of the text and the reader, between past and present.

German abstract

German abstract

Die Paulusakten haben unterschiedlichste, einander widersprechende Deutungen gefunden: Wollen sie die Paulusverehrung oder eine bestimmte Theologie propagieren? Bieten sie durchschaubare Fiktion oder treten sie mit einem faktualen Anspruch auf? Handelt es sich um gesammelte mündliche Tradition oder schriftlich komponierte Konstruktion? Aus der Sicht der Theorie des kulturellen Gedächtnisses geht es nicht so sehr darum, was der Text dem Leser mitteilen will, sondern wie er ihn an einer gemeinschaftsstiftenden Vergangenheit teilhaben lässt. Die Gegensätze erweisen sich so als komplementäre Aspekte einer integrativen Textstrategie. Diese manifestiert sich insbesondere in der Technik des metaleptischen Erzählens, das die Grenze zwischen der Welt des Textes und dem Leser, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, überspringt.

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Articles
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Copyright © The Author(s), 2022. Published by Cambridge University Press

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References

1 In der älteren Forschung herrschte die Meinung vor, dass die frühe Kirche Paulus vergessen, verdrängt und verschwiegen habe. Diese irrtümliche Sicht wurde vor allem durch A. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum (BHT 5; Tübingen: Mohr, 1979) sowie E. Dassmann, Der Stachel im Fleisch: Paulus in der frühchristlichen Literatur bis Irenäus (Münster: Aschendorff, 1979) korrigiert. In jüngerer Zeit sind zum Thema Paulus-Erinnerung der frühen Kirche vor allem einschlägig: R. Pervo, The Making of Paul: Constructions of the Apostle in Early Christianity (Minneapolis: Fortress, 2010); White, B., Remembering Paul: Ancient and Modern Contests over the Image of the Apostle (Oxford: Oxford University Press, 2014)CrossRefGoogle Scholar; J. Schröter/S. Butticaz/A. Dettwiler, Hg., Receptions of Paul in Early Christianity: The Person of Paul and his Writings through the Eyes of his Early Interpreters (BZNW 234; Berlin/Boston: de Gruyter, 2018).

2 Zu den Acta Pauli liegt bisher keine kritische Ausgabe vor. Die nach wie vor maßgebliche deutsche Übersetzung bietet W. Schneemelcher, „Paulusakten“, NTApo6 ii.193−243. Die Zählung der Abschnitte des Textes erfolgt hier nach der Übersetzung von Rordorf, Cherix und Kasser in Écrits Apocryphes Chrétiens (hg. F. Bovon/P. Geoltrain; 2 Bände; Paris: Gallimard, 1997−2005) i.1115−77. Diese Zählung verdrängt zunehmend die ältere nach Schneemelcher, da sie mutmaßlich auch der von Rordorf besorgten kritischen Ausgabe der Paulusakten in der Reihe Corpus Christianorum zugrunde liegen wird.

3 Zum theoretischen Hintergrund des kulturellen Gedächtnisses vgl. vor allem J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen (München: C. H. Beck, 20137).

4 Vgl. Schreiber, S., Paulus als Wundertäter: Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zur Apostelgeschichte und den authentischen Paulusbriefen (BZNW 79; Berlin: de Gruyter, 1996)CrossRefGoogle Scholar; B. Kollmann, „Paulus als Wundertäter“, Paulinische Christologie: Exegetische Beiträge (hg. U. Schnelle/T. Söding; FS H. Hübner; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2000) 76−96; S. Alkier, Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus: Ein Beitrag zu einem Wunderverständnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung (WUNT 134; Tübingen: Mohr Siebeck, 2001); R. Zimmermann, Hg., Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen (2 Bände; Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2013−17) ii.12f.; 216−95.

5 Zu diesem Ergebnis kommt im Wesentlichen auch Schreiber, Paulus, 150−3.

6 So etwa Plümacher, E., „Apokryphe Apostelakten“, PRE.S 15 (1978) 1170Google Scholar, hier 13. Vgl. auch C. Schmidt, Acta Pauli aus der Heidelberger koptischen Papyrushandschrift Nr. 1 (Leipzig: Hinrichs 19052) 215f.

7 Zur Problematisierung dieses Konzeptes eines „Volksglaubens“, der als Gegenüber zur „Elite“ definiert wird, vgl. A. Merkt, „‚Volk‘: Bemerkungen zu einem umstrittenen Begriff“, Volksglaube im antiken Christentum (hg. H. Grieser/A. Merkt; FS Th. Baumeister; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2009) 17−27 sowie die weiteren Beiträge in diesem Band.

8 Vgl. Alkier, Wunder, 16−22; M. Frenschkowski, „Antike kritische und skeptische Stimmen zum Wunderglauben als Dialogpartner des frühen Christentums“, Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen: Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven (hg. B. Kollmann/R. Zimmermann; WUNT 339; Tübingen: Mohr Siebeck, 2014) 283–308. Die These findet sich etwa noch bei G. Poupon, „L'accusation de magie dans les Actes apocryphe“, Les Actes apocryphes des apôtres. Christianisme et monde païen (hg. F. Bovon et al.; Genf: Labor et Fides, 1981) 71−93, bes. 80−4. Weitere Belege aus der exegetischen Literatur bei Alkier, Wunder, 4.

9 Vgl. J.-D. Kaestli, „Les principales orientations de la recherche sur les Actes apocryphes“, Actes apocryphes, 49−67, hier 63f.

10 Etwa bei Totenerweckungen (vgl. R. Pervo, The Acts of Paul: A New Translation with Introduction and Commentary (Eugene, OR: Cascade, 2014) 74) oder der Gefangenenbefreiung in ActPl 9 (vgl. Peterson, E., „Einige Bemerkungen zum Hamburger Papyrusfragment der Acta Pauli“, VigChr 3 (1949) 142−64Google Scholar; Poupon, „L'accusation“, 91−3).

11 So im Falle des getauften Löwen (ActPl 9), der ebenfalls häufig als Symbol gedeutet wird: Vgl. H. J. W. Drijvers, „Der getaufte Löwe und die Theologie der Acta Pauli“, Carl-Schmidt-Kolloquium an der Martin-Luther-Universität 1988 (hg. P. Nagel; Halle: Martin-Luther-Universität, 1990); Adamik, T., „The Baptized Lion in the Acts of Paul“, The Apocryphal Acts of Paul and Thecla (hg. J. Bremmer ; Kampen: Kok Pharos, 1996) 6074Google Scholar; W. Rordorf, „Quelques jalons pour une interprétation symbolique des Actes de Paul“, Early Christian Voices: In Texts, Traditions and Symbols (hg. D. H. Warren et al.; FS F. Bovon; Boston/Leiden: Brill 2003) 251−65. Siehe auch die Diskussion bei Schneemelcher, „Paulusakten“, 213 sowie J. Spittler, Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles: The Wild Kingdom of Early Christian Literature (WUNT ii.247; Tübingen: Mohr Siebeck, 2008) 182−7.

12 Dies mag etwa für die Andreas- und Thomasakten zutreffen, vgl. F. Bovon, „Die kanonische Apostelgeschichte und die apokryphen Apostelakten“, Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie (hg. J. Frey et al.; BZNW 162; Berlin/New York: de Gruyter, 2009) 349−79, hier 368.

13 Vgl. R. Zimmermann, „Von der Wut des Wunderverstehens: Grenzen und Chancen einer Hermeneutik der Wundererzählungen“, Hermeneutik 27−52, bes. 42−6.

14 Vgl. schon die Notiz bei Tertullian (De baptismo 17), wonach der Autor der ActPl, ein kleinasiatischer Presbyter, diese amore Pauli verfasst habe. In jüngerer Zeit vertrat eine solche Deutung etwa Brock, A. G., „Genre of the Acts of Paul: One Tradition Enhancing another“, Apocrypha 5 (1994) 119−36CrossRefGoogle Scholar.

15 Vgl. z.B. S. E. Davies, The Revolt of the Widows: The Social World of the Apocryphal Acts (Carbondale, IL: Southern Illinois University Press, 1980); MacDonald, D., The Legend and the Apostle: The Battle for Paul in Story and Canon (Philadelphia: Westminster, 1983)Google Scholar.

16 Vgl. R. Pervo, „A Hard Act to Follow: The Acts of Paul and the Canonical Acts“, Journal of Higher Criticism 2 (1995) 3−32.

17 So – grob vereinfachend – die These u.a. von MacDonald, der hinter ActPl mündliche „old wive tales“ (Legend, 34) sieht, die den Widerstand ihrer Trägerinnen gegen männliche Dominanz in der frühen Kirche zum Ausdruck bringen. Kritisch dazu z.B. P. Dunn, „Women's Liberation, the Acts of Paul and Other Apocryphal Acts of the Apostles“, Apocrypha 4 (1993) 245−61; G. Häfner, „Die Gegner in den Pastoralbriefen und die Paulusakten“, ZNW 92 (2001) 64−77.

18 Vgl. Dassmann, Stachel, 277f.: „Auf die Person des Paulus als apostolischen Zeugen kommt es bei alledem nicht an. Ein anderer Name könnte an seine Stelle treten, das asketisch-sittliche Ideal auch ohne Verbindung mit der Verkündigung des Paulus vorgetragen werden.“

19 Dies war die These von W. Rordorf, „Was wissen wir über Plan und Absicht der Paulusakten?“, Oecumenica et patristica (hg. D. Papandreou; FS Schneemelcher; Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer, 1989) 71−82. Vgl. Schneemelcher, „Paulusakten“, 214; Pervo, Acts, 72.

20 Rordorf, „Was wissen wir“, 76.

21 Vgl. Pervo, R., Profit with Delight: The Literary Genre of the Acts of the Apostles (Philadelphia: Fortress, 1987) 125−7Google Scholar.

22 Vgl. F. Bovon, „Miracles, Magic, and Healing in the Apocryphal Acts of the Apostles“, ders., Studies in Early Christianity (WUNT 161; Tübingen: Mohr Siebeck, 2003; Orig. franz. 1995) 253−66.

23 In De viris illustribus 7 erklärt Hieronymus die Acta Pauli ausdrücklich deshalb für apokryph, weil Lukas als Begleiter des Paulus eine Geschichte wie die Taufe des Löwen nicht entgangen sein könne: igitur πɛριόδους Pauli et Theclae et totam baptizati leonis fabulam inter apocryphas scripturas computamus. quale enim est, ut individuus comes Apostoli inter ceteras eius res hoc solum ignoraverit?

24 Der Begriff des Romans ist ein moderner beschreibungssprachlicher Begriff ohne quellensprachliches Pendant. In der klassischen Philologie ist er als Bezeichnung für eine Gruppe von Prosaerzählungen fest etabliert, vor allem die Vertreter des sogenannten „idealisierenden Romans“ (Chariton, Xenophon von Ephesos, Achilleus Tatios, Longos, Heliodor) und des „komisch-realistischen Romans“ (Petrons Satyrica und Apuleius’ Metamorphosen). In einem weiteren Sinne bezeichnet man als „Roman“ auch generell fiktionale Prosaerzählungen der Antike, oft auch „Fringe Novels“ genannt. Vgl. z.B. G. Karla, Hg., Fiction on the Fringe: Novelistic Writing in the Post-Classical Age (Leiden: Brill, 2009). Bereits seit Ernst von Dobschütz wurde gesehen, dass auch die Apostelakten in dieses literarische Umfeld gehören. Vgl. z.B. H.-J. Klauck, Apokryphe Apostelakten (Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 2005) 14−21.

25 Zur Erinnerungskultur des frühen Christentums vgl. jüngst S. Huebenthal, „‚Frozen Moments‘: Early Christianity through the Lens of Social Memory Theory“, Memory and Memories in Early Christianity: Proceedings of the International Conference Held at the Universities of Geneva and Lausanne (June 2–3, 2016) (hg. S. Butticaz/E. Norelli; WUNT 398; Tübingen: Mohr Siebeck, 2018) 17–43.

26 Grundlegend zum Begriff Metalepse: G. Genette, Die Erzählung (Paderborn: Fink, 20103; franz. Orig. 1972) 152−4; ders., Metalepse (Hannover: Wehrhahn, 2018; franz. Orig. 2004).

27 Vgl. I. J. F. de Jong, „Metalepsis in Ancient Greek Literature“, Narratology and Interpretation: The Content of Narrative Form in Ancient Literature (hg. J. Grethlein/A. Rengakos; Berlin: de Gruyter, 2009) 87−115; U. Eisen/P. v. Möllendorff, Hg., Über die Grenze: Metalepse in Text- und Bildmedien des Altertums (Narratologia 39; Berlin/Boston: de Gruyter, 2013).

28 Man beachte allein den Ausdruck „erzählte Welt“! Vgl. P. v. Möllendorff, „‚Sie hielt ein aufgerolltes Buch in den Händen …‘: Metalepse als mediales Phänomen in der Literatur der Kaiserzeit“, Über die Grenze, 346−86, hier 352.

29 Vgl. U. Eisen/P. v. Möllendorff, „Zur Einführung“, Über die Grenze, 1−10, hier 1f.

30 Vgl. S. Klimek, Paradoxes Erzählen: Die Metalepse in der phantastischen Literatur (Paderborn: mentis, 2010).

31 Vgl. Möllendorff, „Buch“, 353−7.

32 Vgl. z.B. V. Rimell, Hg., Seeing Tongues, Hearing Scripts: Orality and Representation in the Ancient Novel (Ancient Narrative Supplementum 7; Groningen: Barkhuis, 2007).

33 Vgl. Hunter, R., „Ancient Readers“, The Cambridge Companion to the Greek and Roman Novel (hg. T. Whitmarsh; Cambridge: Cambridge University Press, 2008) 261−71CrossRefGoogle Scholar, hier 267−70.

34 Metamorphosen 1,1, Übersetzung Markus Kirchner.

35 Die antike Gattungstheorie beschäftigt sich mit den Texten, die wir heute als antike „Romane“ klassifizieren, nicht (vgl. oben Anm. 24). Vgl. N. Holzberg, Der antike Roman: Eine Einführung (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 20063) 18f. Es handelte sich sozusagen um ein genus sine nomine und war schon von daher mit einer gewissen Unbestimmtheit behaftet.

36 Dass es sich bei den Paulusakten um ein einheitliches Werk handelt, das lediglich einer fragmentierten Überlieferung zum Opfer gefallen ist, war spätestens seit den Papyrusfunden von Carl Schmidt breiter Konsens. Dieser ist jedoch jüngst von Glenn Snyder in Frage gestellt worden. Vgl. G. Snyder, Acts of Paul: The Formation of a Pauline Corpus (WUNT ii/352; Tübingen: Mohr Siebeck, 2013). Snyder verweist darauf, dass uns alle bekannten Handschriften nur Teile der Akten bieten und postuliert, es habe nie eine „vollständige“ Ausgabe „der“ Paulusakten gegeben. Vielmehr handle es sich um verschiedene Sammlungen einzelner Paulustraditionen, die sich um das Martyrium als Nukleus gebildet hätten. Snyders Vorschlag wurde in der Forschung bisher eher verhalten aufgenommen. Neben ablehnenden Stimmen (z.B. Pervo, Acts, 61; A. Merz, „Hinführung zu den Wundererzählungen in den Akten des Paulus und der Thekla“, Kompendium, ii.403−23, hier 405f.) gab es jedoch auch vorsichtige Zustimmung (z.B. T. Nicklas, „Die Akten des Paulus und der Thekla als biographische Paulusrezeption“, Receptions of Paul, 175−93, hier 175). Die weitere Diskussion zu dieser Frage bleibt abzuwarten. Hier soll davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Akten zumindest in ihrer Endfassung um ein einheitliches Werk handelt. Vielleicht können nicht zuletzt die folgenden Beobachtungen zur Beziehung des 12. Kapitels zum Ganzen der Erzählung diese These untermauern.

37 Der Abschnitt ist in zwei Textzeugen überliefert, dem koptischen Heidelberger Papyrus (PHeid) und dem griechischen Hamburger Papyrus (PH), in beiden jedoch fragmentarisch.

38 Vgl. Pervo, Acts, 281f.

39 Vgl. z.B. R. Hoppe, „‚Denn ich habe mich nicht der Pflicht entzogen, euch den ganzen Willen Gottes zu verkünden …‘ (Apg 20,27): Die testamentarische Rede des Paulus in Milet“, Das Paulusbild der Apostelgeschichte (hg. R. Hoppe/K. Köhler; Stuttgart: Kohlhammer, 2009) 135−57.

40 Dies verbindet die ActPl formal eher mit den kanonischen Evangelien als mit der Apostelgeschichte, wie bereits häufig gesehen wurde: vgl. z.B. F. Bovon, „Canonical and Apocryphal Acts of the Apostles“, New Testament and Christian Apocrypha: Collected Studies ii (WUNT 237; Tübingen: Mohr Siebeck, 2009) 197−222, hier 207; Brock, „Genre“; Pervo, Making, 160−2.

41 Die Übersetzung folgt weitgehend Schneemelcher, „Paulusakten“, 234f. Abweichungen werden durch Fußnoten gekennzeichnet und begründet. Der griechische Text wird zitiert nach C. Schmidt, Πράξɛις Παύλου. Acta Pauli: Nach dem Papyrus der Hamburger Staats- und Universitäts-Bibliothek, unter Mitarbeit von W. Schubart (Glückstadt/Hamburg: Augustin, 1936).

42 PH, der einzige Textzeuge für diese Stelle, ist hier schwer lesbar. Schmidt (Πράξɛις Παύλου, 44), dem Schneemelcher folgt, liest „Epiphanius“; Rordorf („Actes de Paul“, 1167) schlägt in Anlehnung an 1 Kor 1,16; 16,15.17 „Stephanas“ vor. Vgl. Pervo, Acts, 287.

43 Schwer lesbare Stelle. Schmidts Ergänzung ɛἰς ἄνɛσιν (Πράξɛις Παύλου, 44) bleibt unsicher.

44 Schneemelcher übersetzt hier „etwas“ und folgt damit Schmidt, der freilich im griechischen Text das τί nicht enklitisch und damit als Interrogativpronomen akzentuiert (Πράξɛις Παύλου, 46). Vgl. R. Kühner und F. Blass, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, Erster Teil: Elementar- und Formenlehre (2 Bände; Hannover: Hahn 1890−23) i.338, 345f.; E. Schwyzer, Griechische Grammatik, Bd. ii: Syntax und syntaktische Stilistik (HdA 2,1,2; München: C. H. Beck, 19885) 213−15. Der Satz ist von daher besser als indirekte Frage mit zwei Fragepronomina zu verstehen, vgl. R. Kühner und B. Gerth, Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, Bd. ii: Satzlehre (2 Bände; Hannover: Hahn 1898−19043) ii.521f.

45 In etwa vergleichbar ist das lateinische nostri, eine gängige Selbstbezeichnung der Römer. Vgl. P. G. W. Glare, Oxford Latin Dictionary (Oxford: Oxford University Press, 1982) 1191. Im Griechischen sind derartige elliptische Verwendungen eher im Neutrum zu finden: τὸ ἡμέτɛρον/τὰ ἡμέτɛρα. Vgl. H. G. Liddell/R. Scott/H. S. Jones, A Greek-English Lexicon (Oxford: Oxford University Press, 1996) 771; Kühner/Gerth, Grammatik, i.266.

46 Gegen Pervo, Acts, 287f.: „looks like what contemporary critics call ‘metalepsis’ …, but it means here ‘Christians’“. Beides muss sich ja nicht unbedingt ausschließen.

47 Pervo, Acts, 284.

48 Wörtlich: der Arbeitslohn, wohl metonymisch gebraucht. Vgl. Pervo, Acts, 288.

49 Häufig wird Ersteres angenommen, so etwa Schneemelcher, „Paulusakten“, 199; vgl. Pervo, Acts, 80: „Ancient popular literature in general and APl in particular are not likely to leave gaps of this nature for later narration to fill in.“ Aber würde die Episode, die doch hauptsächlich vom Überraschungsmoment des Paradoxen lebt, bei einer Wiederholung nicht an Reiz verlieren?

50 Noch deutlicher ist die Parallele zu Xenophon von Ephesus, Ephesiaka 5,15,2: „Unter anderem weihten sie der Göttin eine Aufzeichnung von allem, was sie erlitten und was sie getan hatten (πάντων ὅσα τɛ ἔπαθον καὶ ὅσα ἔδρασαν).“ Dass die Hauptfigur seine Erlebnisse als Binnenerzählung vorträgt, ist bereits seit den sogenannten Apologen des Odysseus (Od. 9−11) ein häufiges Stilmittel.

51 Vgl. z.B. ActPl 3,8f.16f.20.42; 14,1; koptisch ϯ ⲥⲃⲱ: 5,1 (ergänzt von Schmidt, Acta Pauli, 52); 9,12 (= P.Bod. 41 6,24: R. Kasser und P. Luisier, „Le Papyrus Bodmer xli en édition princeps l’épisode d’Èphèse des Acta Pauli en copte et en traduction“, Le Muséon 117 (2004) 281–384, hier 324).

52 Vgl. 3,1: τὰ μɛγαλɛῖα τοῦ Χριστοῦ διηγɛῖτο αὐτοῖς.

53 Diese Deutung wurde zuerst vorgeschlagen von Snyder, Acts, 199−201.

54 Der Begriff ‚floating gap‘ wurde vom Ethnologen Jan Vansina geprägt und von Jan Assmann für die Theorie des kulturellen Gedächtnisses fruchtbar gemacht. Er bezeichnet die Lücke, die zwischen dem kommunikativen Gedächtnis (Ereignisse der nahen Vergangenheit) und dem kulturellen Gedächtnis („fundierende“ Erinnerung an Ereignisse der fernen Vergangenheit) klafft. Vgl. Assmann, Gedächtnis, 48–56.

55 Vgl. Assmann, Gedächtnis, 37f.

56 Vgl. z.B. R. Sommer, „Kollektiverzählungen: Definition, Fallbeispiele und Erklärungsansätze“, Wirklichkeitserzählungen: Felder, Formen und Funktionen nicht-literarischen Erzählens (hg. Ch. Klein/M. Martínez; Stuttgart/Weimar: Metzler 2009) 229−44.

57 Vgl. z.B. R. Pervo, „Mehr als nur ein paar Spuren: Humor in den Wundererzählungen“, Kompendium, ii.54–6.

58 So etwa R. Pervo, „Early Chrisitian Fiction“, Greek Fiction: The Greek Novel in Context (hg. J. R. Morgan/R. Stoneman; London: Routledge, 1994) 239–54.

59 Vgl. Ch. Klein und M. Martínez, „Wirklichkeitserzählungen: Felder, Formen und Funktionen nicht-literarischen Erzählens“, Wirklichkeitserzählungen, 1–13, hier 4.

60 Zudem ist er nur um den Preis eines bis zum Äußersten entleerten Begriffs von Fiktionalität zu haben (vgl. ebd.). Pervo definiert etwa „narrative fiction“ schlicht als „composition rather than concoction“ („Fiction“, 239).

61 So urteilt Schmidt, Acta Pauli, 216.

62 Vgl. Assmann, Gedächtnis, 40–5.

63 Ebd. 41f.

64 Vgl. MacDonald, Legend; V. Burrus, Chastity as Autonomy: Women in the Stories of the Apocryphal Acts (SWR 23; Lewiston, NY: Mellen, 1987).

65 So etwa Pervo, Acts, 68f.

66 Vgl. schon É. Junod, „Créations romanesques et traditions ecclésiastiques dans les Actes apocryphes des Apôtres. L'alternative fiction romanesque − vérité historique: une impasse“, Augustinianum 23 (1983) 271−85.

67 Der Versuch einer konkreten Zuweisung zu bestimmten Einzelgruppen innerhalb des Christentums bleibt dennoch problematisch. Vgl. F. Bovon/É. Junod, „Reading the Apocryphal Acts of the Apostles“, Semeia 38 (1986) 161−71.

68 Vgl. z.B. Pervo, Acts, 70.

69 Vgl. dazu ausführlich Thomas, C. M., „Word and Deed: The Acts of Peter and Orality“, Apocrypha 3 (1992) 125−64;CrossRefGoogle Scholar dies., The Acts of Peter, Gospel Literature and the Ancient Novel: Rewriting the Past (Oxford: Oxford University Press, 2003) 14−38.

70 Vgl. Thomas, Acts, 15: „The critical difference in this case is not the use of writing, but the use to which writing is put … The question is not whether the source text for a document is written or oral, but the means by which the source is being appropriated“ (Hervorhebung im Original).