Weit enfernt davon, einen klaren und eindeutigen Sinn der biblischen Texte zu liefern, hat sich die neuzeitliche Exegese als eine wichtige Wegbereiterin des modernen Pluralismus erwiesen. Die historische Kritik beschränkt sich in ihren Textrekonstruktionen konsequent auf die Vergangenheit und überlässt es dadurch den Leser/innen, die für sie heute gültige Bedeutung der Texte selbst zu bestimmen. Durch die Wendung zur Sprache haben wir gelernt, Texte als sprachliche Konstruktionen von Wirklichkeit zu sehen, deren Sinn von den jeweiligen Leser/innen in höhem Masse mit konstituiert wird. Das Studium der Wirkungsgeschichte macht heutigen Leser/innen die Geprägtheit und zugleich die Partikularität ihrer eigenen Lesungen der Texte deutlich. Die heutige Exegese muss den von ihr selbst mitgeprägten Pluralismus bejahen und versuchen, die Sache ihrer Texte auf dem ‘Marktplatz’ der Weltanschauungen, Meinungen und Deutungen in öffentlichem, rationalem und offenem Diskurs zu vertreten und so auf die Fremdheit der Geschichte Jesu und den von den biblischen Texten bezeugten Gott hinzuweisen.