1. ‘Denn als wir noch bei euch waren, haben wir euch vorausgesagt, daß wir in Bedrangnis geraten werden, wie es auch — das wißt ihr ja — eingetroffen ist’, schreibt Paulus in 1 Thess 3.4 and die junge Christengemeinde in Thessalonich. Er konnte ihr demnach bereits bei seinem Gründungsaufenthalt kommende Leidenserfahrungen ankündigen, die sich offenbar dann auch umgehend eingestellt haben (vgl. noch 1. 6; 2. 13–14). In dieser Erinnerung an Anfänge und Geschick der Gemeinde in Thessalonich spiegelt sich der auch anderswo im Neuen Testament belegte historische Sachverhalt, daß die frühen christlichen Gemeinden von Anbeginn an mit der Realität des Leidens konfrontiert waren und daß diese Leidenswirklichkeit ihren maßgeblichen Grund in der Existenz der Gemeinden an sich, d.h. in ihrem Bekenntnis zu Jesus Christus und den daraus für ihr Leben gezogenen Konsequenzen hatte. Insofern die christlichen Gemeinden als Minderheiten von den religiösen und sozialen Normen der nichtchristlichen Umwelt abwichen, teilten sie das typische Geschick gesellschaftlicher Minoritäten: Ihre Leidenserfahrungen konkretisierten sich vor allem in sozialer Isolation wie aggressiver Ausgrenzung, aber auch in blutiger Verfolgung. Dieser ursächliche Zusammenhang von Christsein und Leiden wurde auch von den frühen Christen selbst als solcher wahrgenommen. Dies macht eine Reihe von Präpositionalverbindungen sichtbar, die die Erfahrung des Leidens als ein Leiden ‘um Christi willen’ u.ä. bestimmen. Der damit gegebenen Gefahr, sich dem Leiden durch die Abwendung vom christlichen Bekenntnis zu entziehen (vgl. Mk 4.17; 8.34–38; Joh 12.42–43; 16.1; 1 Thess 3.3–4; 2 Tim 1.8, 12; 2.12–13; 1 Petr 4.16; Apk 2.13; 3.8 u.ö.), versuchen die neutestamentlichen Autoren dadurch zu begegnen, daß sie die Leidenserfahrungen ihrer Gemeinden in einer Weise theologisch deuten, die dem Leiden seinen Charakter als Differenzerfahrung nimmt und den Gemeinden eine positive Bewältigung ihrer jeweiligen Leidenswirklichkeit ermöglicht. Diese Deutung zielt darauf ab, die Gemeinden tröstend ihrer Identität als von Gott erwählter eschatologischer Heilsgemeinschaft zu vergewissern, indem sie die bedrückende Leidenswirklichkeit als ein konstitutives Element christlicher Heilswirklichkeit sichtbar zu machen sucht, d.h. als eine Erfahrung, die nicht einen heillosen Entfremdungszustand der Gottesferne markiert, sondern positiv in den Vollzug heilvoller christlicher Existenz hineingehört.